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K. Beyerle
Beth aus des hl. Märtyrers, ließ nach beendigtem
Gebete seine Diener in der Kirche zurück und er-
suchte in der Sakristei um eine Rücksprache mit
den Dienern Gottes. Während jene in der Kirche
zurückblieben und miteinander redeten, entzündete
sich Vor dem Altar des hl. Vitus durch Gottes
Allmacht ein Leuchter. Von Schrecken erfaßt,
klopften jene an die Türen der Sakristei und be-
richteten das göttliche Zeichen. Dieses Wunder
beendigte nicht nur jenen Grenzstreit, sondern
flößte ringsum der Bevölkerung versöhnliche Ge-
sinnung ein. (cap.7.)
Noch andere Wunder geschahen, der Bericht
darüber bddet den Schluß der Schrift, (cap.
8—20.)
Wohl geht diese Reliquiengeschichte des hl. Ge-
nesius zunächst nur das Kloster Treviso m Ve-
nezien und das, Reichenau benachbarte, bald mit
ihm vereinigte Kloster Schienen an. Sie berührt
dennoch, auch wenn sie nicht auf Befehl des
Abtes Erlebald durch einen Reichenauer Mönch
niedergeschrieben wäre, die Reichenau selbst aufs
engste. Denn eine Genesiusreliquie kam sehr
früh auch nach dem Inselkloster.
Was aber wissen wir über den geschicht-
lichen Hintergrund der ,Miracula s.
Genesif? Ihre Abfassung steht von den Tat-
sachen kaum ein Menschenalter ab, weithin stellt
sie sich als durchaus glaubwürdig heraus. Der
Stifter von Schienen, Graf Schrot, ist in den
Verbrüderungsbüchern von Reichenau und St.
Gallen gut bezeugt.27) S eine Gründung Schienen
ebenso. Noch heute tragen Trümmer eines Burg-
sitzes auf dem Schienerberg nach ihm den Namen
,Schrotzburg‘, von denen der Wanderer eine
prachtvolle Rundsicht über Hegau und Boden-
see genießt. Allerdings hat Schrot für die Ge-
nesiusreliquie sein Eigenkloster Schienen nicht
erst gegründet. Die auf dem Schienerberg er-
richtete Kirche war eine Michaelskirche (Mir. s.
Gen. c. 18), die der wehrhafte Mann dem
Schutzpatron von Heer und Schlacht gewidmet
hatte. In dieser St. Michaelskirche entstanden
dann Altäre des hl. Vitus (a. a. O., c. 7) und des
hl. Genesius (a. a. O., c. 18); sicherlich war die
Genesiusreliquie eine willkommene Reliquiener-
werbung für das Kloster Schienen, das, auf
schmaler wirtschaftlicher Basis begründet, früh
in seiner Existenz bedroht war. Weiter: Karls
d. Gr. Sohn Pippin, König von Italien (780
bis 810), ist allbekannt. Graf Gebhard von Tre-
viso trägt einen in schwäbischen Adelskreisen
verbreiteten Namen. Er stiftete nach beglaubig-
ter Nachricht wirklich 780 das Kloster bei Tre-
viso, das er als Eigenkloster dem berühmteren No-
nantula bei Mantua widmete. Auch alle anderen
zeitgenössischen Figuren der ,Miracula s. Genesif
sind nachweisbar. Bischof Egino von Konstanz
regierte 782- 811, Waldo von Reichenau ver-
ließ 806 die Insel und trat seine neue Würde als
Abt von St. Denis an. Der Sarazenenherrscher
Aaron der ,Miracula‘ ist Harun al Raschid, über
den auch Einhard (vita Caroli c. 16) zu berich-
ten weiß, daß sich Karl d. Gr. von ihm einen
Elefanten ausgebeten habe, dessen Begleiter erst
nach vier Jahren — statt der dreieinhalb Jahre
der ,Miracula s. Genesif — heimgekehrt seien.
Ratolt aber, der Hofkaplan König Pippins, kann
nur derselbe Ratolt sein, der später, nach Eginos
Resignation, Bischof von Verona wurde, der
Gründer von Radolfzell, der uns in der Trans-
lationsgeschichte des hl. Markus wiederbegegnen
wird. Zusammen mit König Pippin von Italien
hat er nach alten Berichten im Jahre 807 das ver-
brannte Kloster S. Zeno in Verona wiederher-
gestellt und den Leib des hl. Zeno aus dem alten
Oratorium in die neuerbaute Kirche übertragen.23)
So fügt sich alles gut zusammen. Die Gründung
des Klosters Schienen wird in das Jahr 800 ver-
legt, die Fahrt nach Jerusalem in das Jahr 798.
Fraglich bleibt nur, wie sich der Bericht über
den Erwerb einer Genesiusreliquie durch den
K. Beyerle
Beth aus des hl. Märtyrers, ließ nach beendigtem
Gebete seine Diener in der Kirche zurück und er-
suchte in der Sakristei um eine Rücksprache mit
den Dienern Gottes. Während jene in der Kirche
zurückblieben und miteinander redeten, entzündete
sich Vor dem Altar des hl. Vitus durch Gottes
Allmacht ein Leuchter. Von Schrecken erfaßt,
klopften jene an die Türen der Sakristei und be-
richteten das göttliche Zeichen. Dieses Wunder
beendigte nicht nur jenen Grenzstreit, sondern
flößte ringsum der Bevölkerung versöhnliche Ge-
sinnung ein. (cap.7.)
Noch andere Wunder geschahen, der Bericht
darüber bddet den Schluß der Schrift, (cap.
8—20.)
Wohl geht diese Reliquiengeschichte des hl. Ge-
nesius zunächst nur das Kloster Treviso m Ve-
nezien und das, Reichenau benachbarte, bald mit
ihm vereinigte Kloster Schienen an. Sie berührt
dennoch, auch wenn sie nicht auf Befehl des
Abtes Erlebald durch einen Reichenauer Mönch
niedergeschrieben wäre, die Reichenau selbst aufs
engste. Denn eine Genesiusreliquie kam sehr
früh auch nach dem Inselkloster.
Was aber wissen wir über den geschicht-
lichen Hintergrund der ,Miracula s.
Genesif? Ihre Abfassung steht von den Tat-
sachen kaum ein Menschenalter ab, weithin stellt
sie sich als durchaus glaubwürdig heraus. Der
Stifter von Schienen, Graf Schrot, ist in den
Verbrüderungsbüchern von Reichenau und St.
Gallen gut bezeugt.27) S eine Gründung Schienen
ebenso. Noch heute tragen Trümmer eines Burg-
sitzes auf dem Schienerberg nach ihm den Namen
,Schrotzburg‘, von denen der Wanderer eine
prachtvolle Rundsicht über Hegau und Boden-
see genießt. Allerdings hat Schrot für die Ge-
nesiusreliquie sein Eigenkloster Schienen nicht
erst gegründet. Die auf dem Schienerberg er-
richtete Kirche war eine Michaelskirche (Mir. s.
Gen. c. 18), die der wehrhafte Mann dem
Schutzpatron von Heer und Schlacht gewidmet
hatte. In dieser St. Michaelskirche entstanden
dann Altäre des hl. Vitus (a. a. O., c. 7) und des
hl. Genesius (a. a. O., c. 18); sicherlich war die
Genesiusreliquie eine willkommene Reliquiener-
werbung für das Kloster Schienen, das, auf
schmaler wirtschaftlicher Basis begründet, früh
in seiner Existenz bedroht war. Weiter: Karls
d. Gr. Sohn Pippin, König von Italien (780
bis 810), ist allbekannt. Graf Gebhard von Tre-
viso trägt einen in schwäbischen Adelskreisen
verbreiteten Namen. Er stiftete nach beglaubig-
ter Nachricht wirklich 780 das Kloster bei Tre-
viso, das er als Eigenkloster dem berühmteren No-
nantula bei Mantua widmete. Auch alle anderen
zeitgenössischen Figuren der ,Miracula s. Genesif
sind nachweisbar. Bischof Egino von Konstanz
regierte 782- 811, Waldo von Reichenau ver-
ließ 806 die Insel und trat seine neue Würde als
Abt von St. Denis an. Der Sarazenenherrscher
Aaron der ,Miracula‘ ist Harun al Raschid, über
den auch Einhard (vita Caroli c. 16) zu berich-
ten weiß, daß sich Karl d. Gr. von ihm einen
Elefanten ausgebeten habe, dessen Begleiter erst
nach vier Jahren — statt der dreieinhalb Jahre
der ,Miracula s. Genesif — heimgekehrt seien.
Ratolt aber, der Hofkaplan König Pippins, kann
nur derselbe Ratolt sein, der später, nach Eginos
Resignation, Bischof von Verona wurde, der
Gründer von Radolfzell, der uns in der Trans-
lationsgeschichte des hl. Markus wiederbegegnen
wird. Zusammen mit König Pippin von Italien
hat er nach alten Berichten im Jahre 807 das ver-
brannte Kloster S. Zeno in Verona wiederher-
gestellt und den Leib des hl. Zeno aus dem alten
Oratorium in die neuerbaute Kirche übertragen.23)
So fügt sich alles gut zusammen. Die Gründung
des Klosters Schienen wird in das Jahr 800 ver-
legt, die Fahrt nach Jerusalem in das Jahr 798.
Fraglich bleibt nur, wie sich der Bericht über
den Erwerb einer Genesiusreliquie durch den