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Albert, Peter P.; Beyerle, Konrad [Hrsg.]
Die Kultur der Abtei Reichenau: Erinnerungsschrift zur zwölfhundertsten Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters 724-1924 (1. Halbband) — München: Verlag der Muenchner Drucke, 1925

DOI Kapitel:
Leben und Verfassung der Reichsabtei
DOI Artikel:
Beyerle, Franz; Albert, Peter P. [Bearb.]; Baier, Hermann [Bearb.]: Die Grundherrschaft der Reichenau
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https://doi.org/10.11588/diglit.61010#0518
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Die Grundherrschaft der Reichenau

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gar ein Schattenriß ihrer einstigen Herrlichkeit
gewinnen lassen. Für den drängenden Anlaß die-
ser Festschrift mußte das Ziel kürzer gesteckt
werden. Mehr als einen annähernden Überblick
über den spätmittelalterlichen Besitzstand und
die urkundlich bezeugten oder vermutbaren Früh-
erwerbungen können und wollen die nachfolgen-
den Seiten nicht bieten.
Die Kopialbücher sind unsere vernehmlichste
Quelle, aus der überall, wo nicht besondere Be-
lege dies vermerken, unsere Darstellung schöpft.
Sie sind aber nicht die einzige. Denn selbstver-
ständlich wurden auch die im Druck zugänglichen
Urkunden nach Möglichkeit beachtet.2)
Bruchstücke von Urbanen des 15. Jahrhunderts,
welche das reichenauische Klosterarchiv hinter-
lassen hat3), ergänzen das Bild. D as Gedenkbuch
des damaligen Großkellers, späteren Abtes Jo-
hannes Pfuser von Nordstetten4) steht ihnen in-
haltlich nahe. Vor allem aber gestattete das habs-
burgische Urbar5), für Orte, in denen Habsburg
die Vogtei oder Lehenrechte hatte, die reichen-
auischen Villikationen in der Gestalt zu erkennen,
die sie im 13. Jahrhundert hatten.
Weistümer oder Öffnungen reichenauischer Ding-
höfe6) liefern das Bild des reichenauischen Hof-
rechts, werfen übrigens auch auf die grundherr-
liche Gesamtorganisation bisweilen ein Streiflicht.
Schwankenden Boden betritt man mit Oheims
Schenkungsliste7) und den Fälschungen des 11.
und 12. Jahrhunderts, vor allem jenen des Kustos
Udalrich.8) Brandl hat jenes Verzeichnis von
Stiftern und Stiftungen, das Oheim zu Eingang
seiner Chronik der Gründungsgeschichte folgen
läßt, wiederholt besprochen.9) Er will zwei Teile
unterscheiden, deren erster, älterer, mit Otto ruf-
fus und seinen Zuwendungen abschließe. Der
zweite Teil sei chronologisch fehlerhafter und
offenbar em Nachtrag. Das Ganze denkt er sich
um 1139 (von diesem Jahre ist die jüngste da-
tierbare Zuwendung) allmählich entstanden, von

Oheim aber lediglich übernommen. Letzterem
wird man unbedingt beipflichten.10) Auch uns er-
scheint diese Liste vertrauenswürdig — nur hat
Oheim mehrfach durch ausgesucht verkehrte Epi-
theta den Sinn entstellt. So macht er aus Ludwig
d. Fr. den letzten Ostreichkönig dieses Namens
(Ludwig puer), aus Ludwig d. D. seinen Vater,
und Karlmann stempelt er zum Sohne Ludwigs
des Bayern. Burchmgen deutet er auf Burladin-
gen, Erchmgen auf Eggingen a.d. Wutach. Da-
gegen kann man allerdings eine zeitliche Anord-
nung auch beim ersten Teile nur ganz im rohen
entdecken, msoferne Karl Martell, Karl d. Gr.
und sein Schwager den Reihen eröffnen. So muß
man sich mit der Feststellung bescheiden, daß
Oheims Liste eine unverdächtige Reichenauer
Überlieferung vermutlich des späteren 12. Jahr-
hunderts verkörpert. Die Verwendung des ge-
fälschten Arnulfbriefes für Donaueschingen, Au-
fen und Suntheim steht dem nicht entgegen. Die
Schenkungsreihe Arnulfs steht nach der ersten
der Ottonen, dagegen vor alten karolingischen
Stifternamen wie Egino, Noting und wohl auch
Rawin. Sie könnte hier nachträglich eingeschaltet
sein und sagt daher über das Alter der übrigen
Teile nichts aus. Die beiden letzten Reihen
(Karl III. mit Jona und Kempraten, Konrad
von Zähringen mit Öhningen) sind offensichtlich
Nachträge.
Was aber die bekannten Urkundenfälschungen des
Klosterarchivs betrifft, so erweisen diese Er-
werbstitel mindestens, daß die betr. Besitzungen
zur Zeit der Fälschung von Reichenau in An-
spruch genommen wurden. Bei der Abwehrstel-
lung gegen Vasallen und Dienstmannen, in der
sich die Abtei des 11. und 12. Jahrhunderts be-
reits befindet, haben diese Ansprüche wohl durch-
weg die Vermutung der Richtigkeit für sich. Und
selbstverständlich läßt die Fälschung für sich
allem einen Schluß auf das Gegenteil ihrer An-
gaben niemals zu. So kann trotz der Fälschung
 
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