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Albert, Peter P.; Beyerle, Konrad [Hrsg.]
Die Kultur der Abtei Reichenau: Erinnerungsschrift zur zwölfhundertsten Wiederkehr des Gründungsjahres des Inselklosters 724-1924 (1. Halbband) — München: Verlag der Muenchner Drucke, 1925

DOI Kapitel:
Leben und Verfassung der Reichsabtei
DOI Artikel:
Beyerle, Franz; Albert, Peter P. [Bearb.]; Baier, Hermann [Bearb.]: Die Grundherrschaft der Reichenau
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https://doi.org/10.11588/diglit.61010#0566
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Die Grundherrschaft der Reichenau

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lehen nicht immer so aufschlußreich, wie in diesen
reichenauischen Beispielen. Sie zeigen, daß es
zwischen Bodenleihe gegen Ertragsabgabe (und
Fronden) einerseits, solcher gegen Kriegs- und
Hofdienst (oder auch Verwaltungsdienst) ander-
seits im Hof reell t eine Brücke gibt. Es ist nicht
zufällig, wenn das eine der Kochlehen, wenn ein
Radolfszeller Fährlehen auf Zehntbezug ange-
wiesen wird. Das eben teilen sie mit den echten
Dienstlehen, daß die volle Ausnutzung eines
Leihegutes nicht in Frage kommen kann, weil es
dem Herrn um die Arbeitskraft des Beliehenen,
und zwar um gewerbliche Arbeitskraft zu tun ist.
Es macht keinen nennenswerten Unterschied, ob
etwa der Ammann von Reichenau auf Taverne
und Tavernwein angewiesen wird, oder der Koch
auf einen Zehnten vom entlegenen Hausen u. Kr.
Offenbar handelt es sich hierbei um z. T. recht
frühe Typen. Man denke an das von A. Schulte
(in dieser Festschrift) besprochene Kanzacher
Froschlehen. Hierher gehört aber auch die
Feldküche des Abtes beim Römerzug, das Kes-
se 11 eben. Es haftet an einem Weingarten auf der
Insel, dessen Inhaber (1363 zwei Brüder Huw)
dem Abt, wenn er mit dem Kaiser über die Alpen
zieht, auf einem Klostergespann (das ihnen nach-
her zufällt) einen selbst zu stellenden Kessel
nachzuführen haben. Ferner das —- allerdings
nach der Öffnung bereits parzellierte — Burg-
lehen (bürichguoter) Schleitheim (Randenburg).
Seine Inhaber stellen dem zur Heerfahrt romwärts
sich rüstenden Abte em aufgeschirrtes Saumtier
(soemer mit sailen) samt aller Zubehör — frei-
lich nur auf Abruf drei Jahre zuvor! Auch das
Raitl ehen zu Möhringen a. D., dessen Besitzer
beim Romzug einen Esel nachführt, gehört nicht
in die Klasse mimstenalischer, sondern niederer
Dienstlehen.24b)
Wenn man sich die Seitenbildungen des Kirchen-
rechts (Meßnerpfründen, Glöcknerpfründen usw.)
vergegenwärtigt, so tritt die rechtliche Sonder-

art dieser Lehensgattung vollends ms Licht. Der
Großkeller Johannes Pfuser erwähnt in seinem
Gedenkbuch (f. 8) em jBoltzlehen' in Reichenau.
Die Inhaber desselben haben das Münster dreimal
jährlich auszukehren (an Weihnacht, Ostern und
Mariä Himmelfahrt), außerdem das Hungertuch
(d. h. das große Fastenbild; es diente als Chor-
schluß) aufzuhängen, ferner das Tuch zu tragen,
worauf man am Palmsonntag das Eselein in die
Egärten stellte, und es wieder zurückzubrmgen;
endlich trugen sie das Wasser für die Weihe am
Karsamstag in die Kirche. Daß auch der welt-
lichen Verrichtungen eine dabei sei, hatten sie über-
dies im Baumgarten (woselbst auch das Pfalzge-
richt tagte) die Nüsse zu schütteln und aufzulesen.
Wie verkehrt es wäre, in den Handwerkerlehen
eine Besonderheit der Insel selbst zu erblicken, zeigt
das habsburgische Urbar. Zu Unlingen, in dessen
Fronhof Burkhard von Hewen 1257 urkundet,
weist der reichenauische Lehensanteil der Habs-
burger 15 Huben (die sämtlich auch Frucht-
zmsen leisten) und die Kellmühle aus. Dazu kom-
men aber außer dem Hirtenlehen und 2 Gütern:
das Holzlehen mit 3 Schill. Zins; das Schuster-
lehen mit 4 Schill. Zins; des Koches Lehen
mit 5 Schill. Zins; J. des Koches Lehen mit
10 Schill. Zins und U. des Zimmermanns Lehen
mit 7 Schill. Zins.
Kann nach dem Vorauf geschickten der Charakter
dieser Lehengüter einem Zweifel unterliegen?
Er würde durch die Schleitheimer Öffnung
behoben. Hier gibt es nämlich em Schmied-
lehen, über das Art. 11 und 16 der Öffnung
folgendes bestimmen: Kommt der Keller zu den
Jahrgerichten ms Dorf, so hat der Inhaber des
Lehens das Pferd, das jener reitet, mit frischen
Eisen zu beschlagen. Wie aber den Löhner
Lehensfischern für ihre Dienste gleichwohl als
besondere Anerkennungsgebühr der Imbiß im
Klosterkeller zusteht, so sendet hier der Keller
vom ersten Mahl, das er bereiten läßt, dem
 
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