Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schreurs, Anna; Ligorio, Pirro [Ill.]
Antikenbild und Kunstanschauungen des neapolitanischen Malers, Architekten und Antiquars Pirro Ligorio (1513 - 1583) — Köln, 2000

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22612#0026
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II. Ligorios Schriften zur Altertumskunde

A. Einführung -
Die antiquarischen Manuskripte

Pirro Ligorio hinterließ eine große Anzahl von
Handschriften, in denen nahezu alle Bereiche der
Altertumskunde behandelt sind: Epigraphik, Topo-
graphie, Numismatik, Ikonographie und Mytholo-
gie. Insgesamt verfaßte er über 40 handschriftliche
Bände, die heute auf Bibliotheken, Archive und Pri-
vatsammlungen in Oxford (1 Band), Paris (1 Band),
Neapel (10 Bände), Turin (28 Bände) und Ancona (1
Band) verteilt sind. Diese Manuskripte lassen sich
grob in eine erste und eine zweite Redaktion eintei-
len. Während die erste Redaktion 22 Bände umfaßt,
die in einzelne, nach Themen sortierte Bücher ein-
geteilt sind, bilden die 18 Bände der in Ferrara ent-
standenen zweiten Redaktion eine alphabetische
Enzyklopädie der Altertumswissenschaft. (Vgl. Über-
sichtsblatt, Anhang, S. 326).

Zu den 22 Manuskripten der ersten Konzeption
gehören die Bände in Oxford, Paris, Neapel sowie
zehn der Turiner Bände (Vol. 19-27, Vol. 17bis).
Darin plante Ligorio nach eigener Aussage, insge-
samt vierzig Bücher zur römischen Altertumskunde
zu verfassen.1 Diese Planung weitete er wohl im
Laufe seines Lebens auf immer mehr Bücher aus, da
er insgesamt 57 „libri" verfaßte.2 Der Versuch, eine
Abfolge der Bücher oder eine Systematik seines Ar-
beitsverfahrens zu erstellen, erweist sich als ebenso

problematisch wie der Versuch einer Chronologie
und Abfolge der Bände.3

Allem Anschein nach stand der Antiquar hinsicht-
lich der Abfassung seiner Texte noch ganz in der Tra-
dition der mittelalterlichen „compilatio".4 Das in der
spätmittelalterlichen Historiographie entwickelte
Prinzip des ordnenden Sammeln verschiedenerer
Textquellen zu einem Thema erweiterte Ligorio um
Informationen, die er aus antiken Bildquellen (Mar-
morwerken und Münzen) gewann. Offensichtlich
verfaßte er so seine Texte mit LIilfe eines enormen
„Zettelkastensystems", was zur Folge hat, daß an
vielen Stellen „out-of-date" Informationen gegeben
werden, die eine Datierung der Bände erheblich er-
schweren.5 Zudem arbeitete Ligorio parallel an ver-
schiedenen Bänden und trug oft neue Erkenntnisse
und zugewonnenes Wissen auch Jahre später noch
in seine Aufzeichnungen nach.6

Vermutlich war es auch die Menge des angesam-
melten Materials, die ihm eine Systematisierung er-
schwerte. Sein Ringen, die Vielzahl von Aufzeich-
nungen zu so verschiedenen Themen wie Tempeln,
Götterbildnissen, Grabmalen, Inschriften, Maßen,
Gewichten und Kleidung zu bewältigen, verdeut-
licht die heute konfus erscheinende Numerierung
der „libri11 in den verschiedenen Bänden der „Anti-
chitä di Roma". Sie läßt auf ein stets neu begonnenes
Konzept, auf eine immer wieder veränderte Gliede-
rung schließen: Aus den zwölf in Rom sowie den

1 Ligorio, 1553, Fol. 511": „... basta adiinque baver detto fin qui,
& riserbiamo a dire il rimanente ne i nostri quaranta libri delle anti-
cbitä, ne quali et queste et altre cose saranno amplissimamente discorse".

2 Die Zählung läuft allerdings nur bis zum 51. Buch im Turiner
Band 26. Es gibt keine kontinuierliche Numerierung, d.h. einige
Buchnummern erscheinen mehrfach in verschiedenen Bänden, an-
dere Bücher sind verschollen oder nie geschrieben worden.

3 Der Versuch einer systematischen Auflistung und Verteilung
der „libri" in den einzelnen Bänden findet sich bei Vagenheim,
1987, S. 267-268. Problematisch bleibt dabei die Tatsache, daß
die Buchnummern in den verschiedenen Bänden inhaltlich nicht
korrespondieren: z.B. Libro VI. in Oxford handelt von „diversi
templi". Libro VT. in Paris hingegen von den „Riti de sacrificii".

4 Laureys, 1992, S. 12 5fr.

5 Im Turiner Band 29, der mit Sicherheit nach 1568/69 in Fer-
rara entstand, nennt er beispielsweise den schon 1565 verstorbe-
nen Ranuccio Farnese als Besitzer eines Reliefs, vgl. Coffin, 1964,
S. 192: „... an examination of Ligorio's other manuscripts in Naples
and Turin reveals, that he offen retains out-of-date informations
regarding the ownersbip ofobjects."

6 Für die genauere Erläuterung dieses Verfahrens sei auf den
Anhang (S. 33of.) verwiesen, wo auch den Datierungsfragen wei-
ter nachgegangen wurde.

22
 
Annotationen