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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1872

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Mai (No. 52 - 64)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33306#0251

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Samstag, 25. Mai 1872.'

Sechster Jahrgang.



Amls-Merkündigungsötalt für den Jezirk Schwetzingen.

Badische H o ps en) ei 1 ung.

Erscheint wöchentlich drei Mal: Dienstag, Donnerstag und Samstag, mit der Sonntags-Beilage „Pfülzer Unterhaltungs-Blatt". — Me Bostanstalten «nd Boten nehme«
Bestellungen an. — Preis vierteljährlich 45 kr. Inserate die dreigespaltene Petitzeile oder deren Raum 3K. Loialan?eigen2kr.
Alle im Amtsblatt erscheinenden Annoncen werden in das wöchentlich 3 Mal erscheinende, an 43 Plätzen ««geschlagene
„Stratzen-Placat" gratis ausgenommen. -WM

Abgeökitzt!
In der franzöj. Nationalversammlung, wo
der Herzog v. Audiffret-Pasquier
seine Anklage über die Verschleuderung der
öffentlichen Gelder unter dem Kaiserreiche fort-
setzt, hat Hr. Rouher, der ehemalige Vice-
Kaiser die undankbare Rolle eines Verteidigers
des napoleouischen Regime's übernommen. —
Sein Debüt war übrigens ein sehr unglück-
liches. Statt sich nemlich auf die Verteidig-
ung zu beschräncken, ging er angriffsweise gegen
die Septemberregierung (Gambetta, Favre und
Genoffen) vor und suchte die Aufmerksamkeit
der Nationalversammlung auf die Spitzbübereien
zu lenken, die unter der provisorischen Regierung
vorgekommen. —
Damit hat er aber einen sehr ungeschickten
Schachzug gethan; Gambetta war es ein
Leichtes unter dem stürmischen B-nfall der Ver-
sammlung ihm den Vorwurf ins Gesicht zu
schleudern, daß er mit diesem Hinweis nür
eine Spaltung des gesetzgebenden Körpers be-
zwecke, und Audiffret-Pasquier erwidert ihm:
«Der Bericht der Kommission sprach von dem
Kaiserreich und nicht von dem 4. September,
folglich hat Hr. Rouher den wahren Gegen-
stand der Interpellation nicht berührt. Die
wirkliche Frage, um die es sich handelt, ist die:
Waren Sie kriegsbereit ? Audiffret beweist dann
durch unwiderlegliche Zeugenaussagen, daß nichts
bereit war, weder Munition, noch Verprovianti-
rung und fährt hierauf fort: „Sie können
daher die Verantwortlichkeit des so leichtfertig
unternommenen Krieges nicht zurückweisen!
Frankreich darf, wie Augustus zu Varus, sagen:
Gebt uns unsere Legionen, unsere Provinzen,
unsere Ehre, unsere Fahne wieder!" Hr. Rouher
hat genug und gibt sich zufrieden.
Hr hat seinen Dank dahin l
Der brave Vertheidiger Straßburgs,
Urich, verlangte bekanntlich selbst eine Unter-
suchung oder Begutachtung der Uebergabe
Straßburgs. Die Untersuchungskommission be-
schloß nun bezüglich der Kapitulation von Straß-
burg, über Urich ein Tadelsvotum zu
verhängen, weil derselbe kapitulirte, bevor der
Sturm erfolgte, weil die Munition und die
Fahnen nicht vernichtet wurden, der Abzug der
Garnison! mit kriegerischen Ehren nicht ausbe-
dungen wurde und tveil es den Offizieren ge-
stattet war, sich zu verpflichten, nicht weiter
gegen den Feind zu dienen.
In kirchlicher Acht und Averacht!
Die „N. Nachr." schreiben, daß iir'Tunteu-
hausen die Bäcker und Krämer dem exkom->
munizirten Pfarrer Hosemann das für den
Hausbedarf Nöthige zu verabreichen sich weigern ;
Milch, Eier, Schmalz kann er nicht mehr er- !
halten; auch an den Wirth soll schon das An- j
sinnen gestellt worden sein, kein Bier und s
Fleich mehr abzugeben. —

Ktivas vom Wanne mit dem
„seichten Kerzen.*
Nachdem Hr. Emile Ollivier längere Zeit
fast ganz verschollen gewesen, hat ihn ein Be-
richterstatter des „Daily Telegraph" in seiner
Zurückgezogenheit heimgesucht, um der Welt
Einiges über ihn mitzutheilen. Wir erfahren
aus diesen Mitlheilungen, daß der Staats-
mann, der „mit leichtem Herzen" den Krieg von
1870 begann, sich gegenwärtig mit dem Studium
Guicciarbini's und Macchiavelli's und der Ge-
schichte der Ereignisse befaßt, welche dem Kriege
vorhergingen. Er hält jedoch den Moment,
wo Jedermann sich durch Anschwärzung Anderer
von Tadel reinzubrennen sucht, nicht für die
Veröffentlichung seiner Arbeit über diese Er-
eignisse geeignet, weil man entweder Alles sagen
oder schweigen müsse. Uebrigens hat er aber
dem Korrespondenten anvertraut, daß er gegen
die Kriegserklärung gewesen sei. Zum Beweise
dieser Behauptung habe er ihm mitgetheilt, daß
er, bevor er sein Amt annahm, es als oonäitio
sino «zun nou ausgemacht habe, daß, falls sich
der deutsche Süden freiwillig dem Norden an-
schließe, diese Verbindung nicht als onsuZ bslii
beachtet werden dürfe, wie auch daß Frankreich
nicht die schleswig-holsteinische Frage anrege.
Was den Kaiser betrifft, so erklärt Hr. Ollivier,
derselbe sei ganz und gar gegen den Krieg ge-
wesen und habe sich nur durch die Voreiligkeit
gewisser militärischer Autoritäten in denselben
Hineintreiben lassen. Die wirklichen Anstifter
des Krieges aber seien die Mitglieder der
Opposition gewesen, welche bei jeder Gelegen-
heit ihre bissigen Angriffe gegen die auswärtige
Politik des Kaiserreichs gerichtet. An die Wieder-
herstellung des Kaiserreichs glaubt nach diesem
Gewährsmann Hr. Ollivier unverbrüchlich, da
er die einzig möglichen Regierungsformen in
Frankreich in einer schwachen Demokratie, der
Republik, und einer starken Demokratie, dem
Kaiserreiche, sieht. Vom Kaiser und seinem
aufrichtigen Verlangen, dem Lande freisinnige
Staatseinrichtungen zu geben, sprach Ollivier
mit Begeisterung, und erzählte mit Thränen
im Auge, wie Napoleon III. seiner Zeit in
der Mitte seiner Verlegenheiten doch nicht ver-
säumte, nach Chalons zu schreiben und sein
Persönliches Bedauern darüber auszusprechen,
daß sein treuer Minister gezwungen sei, sein
Amt aufzugeben. Er schloß seine Aeußerungen
über den Kaiser mit deni warmen Ausruf:
„Ja, er ist eine große Seele!" (wui! fügen
wir hinzu.) ^
Das Wikitärstrafgesetz vor dem
deutschen Hleichstage.
Die Kommission zur Vorberathung des
Militär-Strafgesetzbuches hat die erste Lesung
des Entwurfs beendet. Es liegt eine Zusam-
j meustellung ihrer vorläufigen Beschlüsse vor,
: welche sehr wesentliche Aenderuugen des Regie-
j rungsentwurfs aufweist. Die hauptsächlichste
ist die Gleichheit deS StrafsystemS, welches so-

wohl auf Offiziere, als die andern Militär-
personen Anwendung finden soll. Bevor die
Kommission sich definitiv über alle Aenderuugen
schlüssig macht, will sie erst eine Erklärung der
Bundesregierungen darüber hören. Bon dem
Inhalt wird es abhängen, ob überhaupt das
Strafgesetzbuch zur Verhandlung im Reichstag
kommt oder nicht.
Die Ziranzosen schicke« de« Kvgkäadern
ihre Hutedel zu,
aber wohlverstanden — entblößt von allen
Existenzmitteln, so daß die Engländer in die
Tasche greifen und die braven Communen-
männer ätzen und tränken können.
Das englische ausw. Amt hat daher auf
die Beschwerdendes GemeinderatheS von Dover
hin durch den britischen Botschafter in Paris
Vorstellungen über die Aussetzung mittelloser Ver-
bannter an der englischen Küste erheben taffen.
Man ist auf die Antwort der französischen
Regierung gespannt, die doch erst vor verhält-
nißmäßig ganz kurzer Zeit das Versprechen ge-
geben, keine Verbannten mehr ohne alle Mittel
hier auszusetzen. —
Eine Freundschaft ist die andere werth.
Haben die Engländer den Franzosen Waffen
und Munition geliefert, so können sie auch für
die verlorenen Kinder der Republik sorgen.
Aus Matz und Ilern.
Aus Kalmar wird vom 16. d. M. der
Tod eines Mannes gemeldet, der doppelt
Millionär war und sein Vermögen seinem
Hute verdankte. Im Jahre 1826 ungefähr kam
ein armer Drehergesellc, Namens Muhle, bar-
fuß und den Ranzen auf dem Rücken, in das
Dorf, in welchem sich die Maschinenfabrik der
Herren Weil und Boutron befand, und suchte
Arbeit. Sein zerlumptes Acußere nahm gerade
nicht zu seinen Gunsten ein und Herr Weil,
an den er sich gewandt, schickte ihn weiter.
Der Arbeiter ergab sich in sein Schicksal und
ging traurig seines Weges. Plötzlich aber rief
ihn der Maschinenfabrikant w eder zurück: „Halt,
Mann, was Teufels ist das für ein Hut, den
Ihr da tragt?" „Es ist ein hölzerner Hut,
mein Herr." „Ein Holzhut? Laßt mich das
Ding doch etwas genauer anschen. Wo habt
Ihr ihn gekauft ?" „Ich habe ihn selbst gemacht,
mein Herr." „Und wie habt Jlr ihn gemacht ?"
„Auf der Drehbank, mein Her:." „Auf der
Drehbank? Euer Hut ist ja aber oval und
auf der Drehbank werben die Sachen rund."
„Das ist wahr," antwortete der tlrbeiter, „aber
trotzdem habe ich den Hut so genacht, ich habe
den Mittelpunkt verstellt und kann gedreht,
wie'S mir einfiel; ich habe weit z, marschiren
und brauche einen Hut, der mix als Regen-
schirm dient, und da ich kein Gel habe, um
einen zu kaufen, so habe ich ihn hat selbst ge-
macht." Der arme Arbeiter Muhl, hatte in-
stinctmäßig die excentrische Drehmaier erfun-
den, welche in der modernen Mechanik von so

^ij
 
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