Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1872

DOI Kapitel:
August (No. 91 - 104)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.33306#0383

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Donnerstag, 8. August 1872.

M. 94.

Sechster Jahrgang.

Eriekeint
wüchenllich drei Mul
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alte Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.


ochenblslt.

Amtsverknndigungsblalt für de» Aezirk Schwetzingen.
Padischt H o p s e n) t i 1 u n g.

Q Preis
vierteljährlich 45 lr.
Inserate
die dreigespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 3 kr.
Lokalanzeigen
2 kr.

A«e im »Schwetzinser Wochenblatt" (Amtsblatt) erscheinenden Äm»»nee« werde» irr Pas wöchentlich .! «ral Uscheinende, an ^ Plätze», in
Schwcüinacn, Hockenheim und Plantftadt angeschlagene „Strasjen-Placat" gratis ausgenommen.

Hngesüöersichl.
Schwetzingen, 8. August.
Der deutsche „Reichsaiizeiger" publicirte ein Gesetz, be-
treffend die Uebernahme der Verwaltung der Wilhelm-Luxem-
burg-Eisenbahn. — Das „Reichsgesetzblait" publicirte den
Postvertrag zwischen Deutschland und Luxemburg und den
Auslieferungsvertrag zwischen Elsaß-Lothringen nnd Luxem-
burg.
Preußische Blätter melden, daß man in Berlin mit
dem Gedanken umgehe, bei der Jubelfeier West-Preußens
auf dem hohen Hause zu Marienburg einen allgemeinen
deutschen Olden zn stiften.
Die evangelische Kirchenconfercnz in Eqenach hat
ebenfalls eine N a t i o n a I f e > c r der Ereignisse von
1870/71 bei den deutschen Regierungen in Anregung ge-
bracht. Man ist aber mehr für den 10. Mai, den Tag
des Friedensschlusses als für den 2. Seht., da mit dem
Sturze des französischen Kaiserreichs der Krieg doch noch
nicht zu Ende war.
Den: königlichen Ceremonienmeister am preußischen
Hofe soll es nicht wenig Kopfzerbrechens machen, wie die
E t i k e 1 t e n f r a g e bei der Drei-Kaiser-Zusammenkunfl
in Berlin gelöst werden könne. Wer reitet bei Paraden
dem greisen Obcrfeldherru der deutschen Armeen zur rechten
Seite? Wer von den beiden gekrönten Gästen wird bei
den Festtafeln neben dem kaiserlichen Wirthe den ersten
Ehrenplatz einnehnicn, Alexander oder Franz Joseph? Ter
österreichische Kaiser ist wohl an Jahren der jüngste, aber
an Dienstalter der älteste, da er schon 1848 den Thron
seiner Väter bestiegen hat.
Ter allgemeine deutsche Sch neider tag
hat u. A. folgende Resolutionen gefaßt: „Die Müitärar-
beit anlangend, beschließ: der Sehneldertag, daß sämmtliche
College,! mit allen gesetzlichen Mitteln dahin wirken, daß
die Militär-Leconomie-Handwerksstätten abgeschafft und die
Militär-Schueiderarbeit in Zukunft von Civilhandwerkern
angefertigt wird. Mit Art. 4 der preußischen Verfassung,
welcher bestimmt, daß jeder Preuße vor dem Gesetze gleich
sei, ist es unvereinbar, daß Personen, welche ihrer Körper-
coiistructiou nach nicht zum Militärdienste fähig sind, doch
dazu hcrangezogen werden, weil sie Schneider, Schuhmacher
oder Sattler sind. Auch hält cs der Schncidertag für eine
berechtigte Forderung, daß in den Zuchthäusern keine Schnei-
dcrarbeit mehr angeferligt wird, weil der unbescholtene Ar-
beiter damit zu concurrircu völlig außer Saude ist.
Ein Berl-ner Börsenblatt bringt die Nachricht, daß
an maßgebender Stelle an eine Beschränkung des Freizügig-
keitsgcsetzes für Berlin gedacht werde und eS befürwortet
die Maßregel mit der Molivirung, daß Wcllstäote in vielen
Beziehungen Ausnahmen beanspruchen, die im vorliegenden
Falle um so gerechtfertigter seien, als viele Gemeinden die

ihnen unliebsamen Insassen, von denen sie fürchten, daß
sie der Armenkasse zur Last fallen werden, durch Ueder-
rebuug und kleine Unterstützung für die Reise bewegen, nach
Berlin überznsiedeln, ja ihnen das Geld für Wohnungs-
miethe auf zwei Jahre gewähren, damit sie sich den Un-
tecstützungswohnsitz in Berlin sichern.
Das Berliner Stadtgericht hat kürzlich eine
Entscheidung getroffen, welche nicht nur in prinzipieller Be-
ziehung, sondern auch in Rücksicht auf die in dein Prozesse
fignrirenden Personen von hohem Interesse ist. Ein frü-
herer schleswig - holsteinischer Offizier, so erzählen Berliner
Blätter, hatte gegen den Reichskanzler Fürsten Bismarck
eine Klage wegen Anerkennung seines, des Offiziers, Rechts
auf Vezi'ig einer jährlichen Pension eingcleitet. Fürst Bis-
marck hatte aber den Prozeß dem Reichskanzleramte über-
wiesen, welches letztere den Jnstizrath Lüdicke zu feinem An-
walt erwählte. Am Tage der Entscheidung erschienen nun
der Justizrath Lüdicke als Vertreter des Reichskanzleramte-
und der Kläger in Person vor Gericht. Als indessen der
Anwalt des 'Reich-Kanzleramtes für dieses plädiren wollte,
erhob der Offizier dagegen Einspruch, indem er ausführtc,
daß das Reichskauzleramt auf Grund des Neichsge-
setzes den Reichsfiskas nicht vertreten könne; dies
zu thuii sei nur der Reichskanzler befugt. Deshalb habe er
auch nur diesen augeklagt und da derselbe nicht erschienen
sei, sondern die Sache einer anderen, nicht zuständigen ju-
ristischen Person übertragen habe, so fordere er die Der-
art h e i l u n g d e s R c i ch s k a >! z l e r s irr ooubumu-
eiaiir. Das Stadtgericht hielt die Ausführungen des Klä-
gers für zutreffend und erkannte dem Anträge gemäß. Ge-
gen dieses Urtheij hat der Reichskanzler die Appellation ein-
gelegt und man darf dem Ausgange dieses interessanten
Prozesses gewiß mit Spannung entgegensetzen.
König Amadeus, der in Madrid den! Attentate so
glücklich entgangen, fürchtet offenbar auf seiner Reist- durch
die von den Carlisten aufgewühlten Provinzen einen neuen
Angriff auf sein Leben. Er hat sie großartigsten Vorsichts-
maßregeln treffen lassen. Santander, wo er sich gegen-
wärtig aufhält, gleicht einem Feldlager; die Soldaten
campireii dort im Freien unter Zelten.
Der Generalstab in Preußen.
Die schnellen und großartigen Erfolge der preußischen
und deutschen Heere 1870/71 und schon 1866 konnlcn nach
Ansicht der Feinde Deutschlands unmöglich ans natürliche
Weise errungen sein. Es war ja kein einzelner Heerführer,
kein Napoleon 1, kein Friedrich II, nicht einmal ein Blücher,
der als Feldherr besonders hervorgei^je,, wäre? Was
konnte es anders sein, als Verralh, wodurch alle diese Er-
folge errungen wurden? Die österrkichjst-hen und die fran-
zösischen Plaue waren gestohlen, die Feldherren sogar viel-

leicht bestochen. Kurz, ein wahres Gebäude des Verrathes
und der Veruntreuung suchte man aufzufischen. Ja, die
rege französische Phantasie erschuf sogar einen General
Staff, welcher der eigentliche Urheber aller der Siege ge-
wesen sein und sich mit großer Gewandtheit alle französi-
schen Kriegs- und Festungspläne angeeignek haben soll. Nun
diese Fabel von dem mythischen General Staff hat einen
sehr reellen Hintergrund: das große Werk des preußischen
Generalstabs über den deutsch-französischen Krieg belehrt uns,
daß es nicht eine einzelne Persönlichkeit war, die in schick-
salsschwerer Stunde an entscheidender Stelle stand, sondern
daß es eben das jahrelang fortgesetzte Zusammenarbeiten
des Generalstabs war, wodurch die Wege zum Siege ge-
bahnt wurden. Die Einrichtung und Arbeiten des preußi-
schen Geueralstabs haben daher auch die Aufmerksamkeit
aller Staaten auf sich gezogen und eine vollständige Um-
wälzung in den Ideen der Organisation des Krieges her-
vorgerufen Bis dahin handelte cs sich immer nur darum,
einen Feldherrn in der Stunde der Gefahr zu finden, dem
das ganze Heil des Staates anvertrant werden sollte. Seine
Fähigkeit entschied zumeist über Sieg und Niederlage. Hier
aber ist eine dem Geiste der modernen Zeit entsprechende
Organisation an die Stelle jener alles entscheidenden Per-
sönlichkeit gesetzt worden. Die Idee der Arbeitstheilung, die
wissenschaftliche Führung des Kriegswesens hat der preußi-
sche Gcueralstab iu's Leben gerufen und beherrscht seine Ar-
beiten. Wie in den modernen Fabriken nach eincmPlaue
gearbeitet wird und alle einzelnen Bestaudtheile gesondert
augefertigt werden und schließlich doch einen wohlgeliingcnen
Mechanismus darstellen, so ist es auch bei den Arbeiten dcs
Geueralstabs. In den verschiedenen Sektionen desselben wer-
den alle die einzelnen Vorarbeiten mit der größieu Umsicht
und Sachkeimtniß im Frieden vorbereitet; sie greifen wie
ein geschickt gemachtes Uhrwerk ineinander, so daß beim
Ausbruch des Krieges alles geordne ist nnd sich kaum eine
Frage finden läßt, die nicht schon eine Lösung erhalten
hä!!e. Dieser genauen und umsichtigen Arbeit ha« vor Al-
lem das deutsche Volk es zu verdanken, daß es siegreich aus
dem großen Kampfe von 1870 hcrvorgegaugen ist.

Gespenstergeschichte in der Wiener
Hofburg.
In Wien beschäftigt eine mysteriöse Gespenstergeschichte
aus der Hofburg das Publikum.
In einem wiener Blatte lesen wir: „Der Stiege:.-
Posten nächst de» Appartements der verstorbenen Erzher-
zogin Sophie , ein junger Soldat, der Sohn eines in der
Taborstraße wol,„haften Greißlers, sah (in der Nach,) die
Erscheinung auf sich zulommeu. AIS dieselbe sich ihm aus
beiläufig 10 Schrille genähert Halle, fällte er das Bajonnel
und stürzte auf den Spuk zu. Der „Geist", von den!

Ein verfehltes Leben.
Nicht unser Jahrhundert hat in Folge des gewaltigen
und furchtbaren Schlages von Sedan einen Kaiser ohne Land
zum ersten Male in den Grenzen des preußischen Staates
gesehen. Bereits üu vorigen Jahrhundert hat längere Zeii,
theils in Frankfurt a. O. theils in Berlin, eine kaiserliche
oder königliche Größe, welche auf eigene Faust mit dem
Degen einen Thron für sich errungen hatte, sich bewegt.
Aber nicht als Gefangener, wie Napoleon 10., sondern i»
voller Freiheit hat derselbe i», Bereiche der Preußischen
Monarchie seinen Aufenthalt genommen, auch nicht in einem
königlichen Schlosse geweilt, er lebte als einfacher Privat-
mann. Denn von dem hohen Glanze, ml! welchem der
letzte Napoleon nach seinem ungeahnten Sturze durch die
Großmuth seines edlen, sein sunin eni^ns in herrlichster
Weise erfassenden und wie immer verklärenden Gegners um-
geben war, fehlte gerade ihm gar B auches. Jedoch das
lassen wir jetzt auf sich beruhen, es ist und bleibt hier nur
Nebensache. Der Held, von dem wir zn erzählen haben,
ist kein Anderer als Meffere Philivpe de Gentil Marquis
de Tangalerie, Chevalier, Seigneur de ln Blatte, Charente,
Toniiay, Boutonne et Biron, und er ist es vielleicht sehr
wohl werth, genauer gekannt zu sein, als es bis jetzt der
Fall ist.
Im Jahre 1656 in Saintonge geboren, hatte er in
32 Feldzügen Frankreich gedient und es bereits bis zur

hohen Stellung eines Generallientcnmits im französischen
Heere gebracht. Jedoch als erklär er Gcgucr der bekannten
nnd nur zn einflußreichen Frau v. Maintcnon war ihm jede
Hoffnung, noch weiter nnd Kötzer zu steigen, für die Zu-
kunft abgeschnitten. So i» seiner Erwartung und bei sei-
nem großen Durste nach Ruhm und Glanz gar z:> empsind-
l'ch getäuscht und darum tief gekränkt, reichte er 1706,
während des spanischen Erbsolgekriegcs seine Entlassung
ein und begab sich nach Venedig, gewiß z» dem Zwecke, um
im Dienste der damals noch überaus wüchsigen Republik
vielleicht das bisher vergeblich Gesuchte zu finde,,. Wegen
seines, vermulhlich etwas übereilten Austritts aus dem
Dienste des gerade im fast hoffnungslosen Kriege begriffenen
Vaterlandes in Frankreich zuin Galgen vernrtheilt und auch
von der venetianlschen Republik verschmäht, sammelte nun
Marquis de Tangalerie unter dem Schutze dieser Republik
wenigstens ein erlesenes Heer und an dessen Spitze zog er
in prächtigster und stattlichster Ausrüstung nach Afrika. Hier
führte er diese improvisirie Expedition mit hervorragendem
und einer rühmlichen Anerkennung werthem Talente, die
glänzende Tapferkeit seiner Leute neben der hervorragenden
Ueberlegenheit der von ihnen zur Anwendung gebrachten
Waffen, mochten es auch keine Zündnadelgewchre, keine
Chasscpols oder gar Krnpp'sche Kanonen sein, denn diese
konnte es füglich vor anderthalb Jahrhunderten kaum geben,
verschafften ihm überall den nach äußerster Möglichkeit er-
strebten und wirklich durch eigene Thatkraft errungenen
Sieg. Oester wiederholte glückliche Erfolge brachten den
neuen Ankömmling nach kurzer Frist dahin, daß er ungeach-

tet der kleinen Zahl seiner Streiter fast die ganze, den,
gesammten Deutschland an Flächeninhalt gleichkommende In-
sel Madagaskar eroberte. Diese frnchibare, reichdewässerte
und blos von einem die Höhe der Alpen keineswegs errei-
chenden Gebirge durchzogene Insel von ungefähr 10,000
Geviertmeilen war allmülig durchaus seiner alleinigen Bot-
mäßigkeit untergeben. Der Anfangs blos willfährige Ge-
horsam der Inselbewohner gegen die Befehle des tapferen
Generals ging bald so weit, daß wenigstens ein Theil von
ihnen den mächtigen und darum zugleich gcsürchiclen Heger
zum Könige oder Kaiser, was hier für uns sich wohl gleich
bleiben kann, mit Begeisterung ansrief. Um seine neue,
wiccr Erwarten erworbene Macht zu erhöhen und sie in
Wahrheit gehörig zu sichern, legte Marquis von Tangalerie
verschiedene Festungen auf den von ihm zn dem Zwecke be-
sonders erwählten und dazu geeigneten Pnnkien an und sing
nunmehr siegcsgewiß an, bereits davon zn träumen, die im
Grunde leicht gewonnene Insel für immer nnd mit unbe-
schränkter Machtvollkommenheit zu beherrschen. Sic glich
ja nach den von ihm überall und meist persönlich cingezo-
genen Erkundigungen einem wiedergiwoiinenen Paradiese, so
und nicht anders erschien die Insel dem zur Schwärmerei
fast zu stark geneigten Feldherrn für die Zukunft. Der
hcrrl'ch nun glänzende Erfolg seiner Waffen raubte aber
dem z. - . - o innen, allein dabei immer sehr dünkelhaften
Mann, vic Ruhe, sein dadurch genährter und sehr verwöhn-
ter Stolz stieg bis zur äußersten Höhe.
(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen