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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1872

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Oktober (No. 117 - 130)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33306#0499

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M. 123.

Sechster Jahrgang

Dienstag, 15. Oktober 1872.

ErM'm!
chentlich drei Mül
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Aste Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.

MwHngtr W<»hml>liill
Amlsverkündiglmgsbkatt für den Aezirk Schwetzingen.
Kadi sche H a p sc n z e i t u n g.

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oierteljÄhrlich 4S kr.
Anjerute
die viergespaltene
Petit^ilc oder deren
Raum 3 lr.
Lvkulun,eigen
S kr.

Me" im »Schwetzinger Wochenblatt (Amtsblatt) erschÄnenderr Mnroncen werven j» vaS wFäse.Mch "mal erscheinenve, a» 42 Plätze»,
Schwetzingen, Hockenheim und Plankstadt angeschlagene ^Strafjen-Plaeat« gratis ausgenommen.




Hagesüöerstchl.
Schwetzingen, 14. October.
Sehr gespannt ist man über die zukünftige Haltung
Bayerns gegenüber dem deutschen Reiche. Ganz gesund
sind die bayrischen Zustände auch jetzt noch nicht. Wie
man hört, soll der König dem neuen Ministerium LieWah-
rung der besonderen Rechte Bayerns an's Herz gelegt ba°
den. Der junge König scheint sehr eifersüchtig auf seine be-
sonderen Rechte zu sein; aber schließlich wird sowohl er,
als die Ultramontanen sich dem allgemeinen Drange nach
der deutschen Einheit ganz und voll fügen muffen.
Der deutsche Frauentag in Darmstadt sprach
dem Reichstage seinen Dank für die Unterstützung aus,
welche derselbe der Petition wegen Anstellung der Frauen
im Telegraphen- und Postdienst habe zu ,Theil werden
lassen, empfahl der ReichSregicrung das Beispiel Hessens,
welches Frauen auf der Ccnlralstclle für Landesstatistik be-
schäftige und beschloß eine internationale Vereinigung zum
Schutze der Fraucincchte zu bilden, deren Präsidium der
Prinzessin Ludwig von Hessen übertragen werden soll.
Aus Sachsen vernimmt man, daß der dortige greise
König gesonnen sei, am 9. November (dem Tage seiner
goldenen Hochzeit) die Regierung in die Hände des Kron-
prinz.» Albert niederzulegen.
Tic deutsche Regierung hat nun endlich dem französi-
schen Staate das Stück Boden aus der Rheininsel abgetre-
ten, ans welchem das Denkmal des Generals Dcsaix steht.
Demnächst wird ein französischer Wächter das Häuschen
beim Monument wieder beziehen, wie dies seit lange her
für das Denkmal des Marschalls Turennc bei SaSbach der
Fall war.
Thiers präsidirte der ersten Sitzung des obersten
KriegSrathes. Der Herzog der Aumalc wohnte in Uniform
der Sitzung bei. Die Verhandlungen werden geheim
gehalten.
Die i n t c r n a t i o n a l e K o m m i s s i o n inPariS
für Revision des Metermaßes hat den Normalmeter und
das Normalkilogramm adovtirt.
In Brüssel ist eine internationale jüdische Delc-
girtcii-Conferenz versammelt, um die Lage der Juden in
Rumänien zu untersuchen.
In der Schweiz ist eine Agitation, nament-
lich der social-demokratischen und volnischen Vereine im
Gange, welche gegen die von Rußland geforderte Ausliefe-
rung des socialistischen Agitators Netschajeff gerichtet ist.
Es werden förmliche Manifeste „an dos schweizerische Volk"
verbreitet. worin gefordert wird, die Auslieferung -zu
versagen.
Sämmtliche S'p i n n e. r e i- und Webereibesitzer
des Canlons Glarus beschlossen solidarisch, bei 12 stün-

diger Arbeitszeit eine entsprechende Lohnerhöhung zu be-
willigen.
Die in Petersburg erscheinende „Russische Welt"
wendet sich neuerdings in sehr kriegerischer Stimmung ge-
gen Dculschland. Um eiüe Probe davon zu geben, welchen
Unsinn auch hier blödsinnige Tendenzpolitiker gewissen Krei-
sen des Publikums als Weisheit vorzuführen wagen, ent-
nehmen wir einem Leitartikel des genannten Blattes fol-
gende ziemlich haarsträubende Auslassungen: Alle jetzigen
Friedensversicherungen und Fr!edenShoffn»iigen sind Täu-
schung. Deutschland muß vermöge seiner inneren Natur
und wegen seiner in kurzer Zeit errungenen Macht »oth-
wendig Krieg haben. Deshalb wird Rußland gut lhun,
trotz aller FriedenSzuVersicht ernstlich g„ seine Vertheidigung
zu denken. Fürst Bismarck ist gerade dann am Meisten zu
fürchten, wenn er sich zu seiner angeblichen Erholung in die
ländliche Ruhe zurückzieht, denn das ist da! Zeichen eines
nahen Sturmes, dann macht er sich bereit, auf seine Beule
loszusiürzen- Die Ueberfülle Deutschlands an civilisirter
Bevölkerung, sein außerordentlicher moralischer und mate-
rieller Reichthum (!) machen es ihm zur Nothmendigkeit,
l der Reihe nach über alle seine Nachbarn herzusallen (?).
Ein Volk auf der Höhe seiner politischen Macht kennt nichts
weiter, als emc ununterbrochene Reihe blutiger Kriege; das
lehrt die Geschichte und datz jä das Loos Deutschlands,
Bald wird seine Floltc aus dem Baltischen Meere die rus-
sische übcrtreffen (!) und wer wird ihm dann bei seinen
kriegerischen Plänen Widerstand leisten? Ein Vorwand zum
Kriege ist leicht gefunden; die nationalen Beziehungen find
geschmeidig (?); die baltischen Deutschen werden mit offenen
Armen die vereinigten Heere Preußens und Oesterreichs em-
pfangen. Welche Rolle die Polen spielen werden, ist nicht
abzusehen; für die Vertheidigung der baltischen und der
polnischen Gebiete ist nichts Nachhaltiges gethan; Rußland
wird dann gezwungen sein, sich auf die Operationslinien
Dwina und Dniepr zurückzuziehen. Weiter spinnt das Blatt
seine Strategie nicht ans; es ertheilt aber noch den Rath,
allen Friedensversicherungen zu mißtrauen und sich kriegs-
bereit zu machen, um der nahe drohenden Gefahr entgegen-
treten zu können. Dies muffe aber um so mehr geschehen,
als auf Bundesgenossen nicht zu rechnen sei. und als die-
jenigen, welche man etwa fände, nicht stark geüug seien,
der vereinigten Macht Deutschlands und Oesterreichs Wider-
stand zu leisten. So im Wesentlichen die „Russische Welt",
und das nennt sich „patriotische Wachsamkeit". Mit mehr
Recht könnte mau bei dem Einfall, unter den jetzigen Zeit-
Verhältnissen solche Bilder vorzuführen, von Schlaftrunkenheit
oder von Mondsucht sprechen. Und dabei hat dieser geist-
reiche Politiker mit seinen Schreckgespenstern eS so eilig, ck's
füllte der Kriegstanz im nächsten Augenblicke losgehen. In
der That werden dem Publikum von dieser Sorte Zeitungs-

schreiberei seltsame Gerüchte aufgetischt : ein wirres Zusam-
mengestoppele von stelzbeinigen Phrasen, alarmirenden Re-
densarten und eben so böswilligen wie einfältigen Aus-
streuungen. Jedenfalls leidet der Mann nicht an „zivilisa-
.arischer Ueberfülle', wie er sie de« Deutschen vorwirft; er
weiß vielmehr mit naturwüchsigem Geschick sich eben auf dem
Niveau der Kneipenpolitik zu halten. Gründe und Bcweis-
jührungcn sind da bekanntlich Nebensache. Uebrigens hat
die „Russische Welt" wegen ähnlicher Leistungen ihrer täp-
pischen Hetzkuust schon höhere Berücksichtigungen erfahren.
Erst unlängst ist ihr durch Verfügen des Ministers des
Innern der Verkauf auf den Straßen entzogen. Dies
Blatt gehört zu jenen Organen, welche in ihrer Weise sy-
stematisch darauf ausgehen, die deutschen Bewohner der
Ostseeprovinzen staatsfeindlicher und landeSverrätherischer
Absichten zu verdächtigen.
Die jüngsten Nachrichten aus Athen lauten
ernst. Die Ministerkrisis daselbst ist akut. Deligeorgis
weigert sich, ein neues Kabinet zu bilden. Alle Minister-
tandidaten. auch BulgariS. verlangen die Entlastung des
russischen Sekretärs der Königin, welche der König ent-
schieden zurückweisl.
AuS New-Porl. 10 Ott., wird telegraphisch ge-
meldet. daß der frühere Staatssekretär Seward gestorben
ist. — Die Botschaft Grants an den Kongreß wird
energische Maßregeln gegenüber Mexiko Vorschlägen. —
Deutsches Reich
Codlenz, 10. Oktober. Seit einigen Tagen bewegen
sich in hiesiger Stadt sog. übergesiedelir amerikanische Fa-
milien. geben an. aus einem Landgute in der Nähe zu
wohnen, machen in Juwelier- und Manufakturläbcn kleine
Einkäufe und geben meistens 10- bis LO-Dollarnotcn als
Zahlung, um desto größere Summen an deutschem Gelbe
als Herauszahlung zu erholten; da nun diese Noten (der
consöderirten s-taaten) längst eniwerthet find, so haben die
unkundigen Verkäufer somit ihre Waare und ihr b«areS
Geld verloren. Wahrscheinlich werden diese amerikanischen
Schwindler auch das Oberland mit ihrem Besuche beglücken,
weshalb eine Warnung im allgemeinen Interesse liegen
dürfte. _
Ausland.
Parts, 11, Okt. Thiers hat in der gestrigen
Sitzung der Permanenzkommsfion bezüglich der Ankunft des
Prinzen Napoleon geäußert, daß sie geeignet sei.
Verdacht zu erregen. AuS Thiers Rede ist ferner noch
nachzutragen: Frankreich ist nicht so isolirt, als man sagt.
Europa hat uns in Berlin Gerechtigkeit widerfahren lasten.
Unsere Armee erholt sich; unser Credit ist ausgezeichnet;
wir haben seit zwei Monaten 140 Millionen Erhalten und
werden Mitte 1873 weitere 2 Milliarden gezahlt haben.

Fruillctml.
Schwetzingen, den 15, October 1872.

Ein Plagiar.
Mexikanische Erzählung von Friedrich GerftLSer.
(Fortsetzung.)
Meuutes Kapitel.
I u a n i t a.
„Ich belauschte ein Gespräch der Beiden — Don Guz-
man's und Dou Leonardo's — Guzman war dagegen, er
wollte kein Blut vergießen, besonders weil er dadurch zu
viel Aufsehen fürchtete, aber Leonardo erklärte, seiner Fa-
milie wegen dazu gezwungen zu sein. Guzman gab endlich
nach, und seit der Zeit ist der Zambo fast immer an sei-
nem Lager und ich weiß," setzte sie schaudernd hinzu, „wel-
chen Auftrag er hat."
„0 LuntEma," stöhnte Dolores in Todesangst, „und
ist er zu retten?"
„Deshalb kam ich her," sagte Juana entschlossen, „ich
will kein Blut an meinen Hände« haben. Ich sündigte, ja
— aber mit keiner Ahnung, welche Folgen cs nach sich
ziehen würde — es war ja so leicht, ein armes, unwissen-
des Mädchen mit schönen und trügerischen Worten zu be-
thüren, aber ein Schritt auf der Bahn der Sünde und —
o LLntissüua, Luntissiins," setzte sie schaudernd hinzu und
barg auf's Neue schluchzend ihr Antlitz in den Händen.

„Was ist zu thun, Mercedes?" sagte da Dolores, di«
bleich, aber mit einem entschlossenen Ausdruck in den Zügen
vor der Dienerin stand. „Wir müssen handeln und rasch
handeln, wenn wir des Freundes Leben retten wollen —
aber wie? Sollen wir meinen Vater rufen und dann das
Haus mit Polizei umstellen lassen?"
„Um Gottes willen, „ein," fuhr da Juana empor,
„denn dann ist der Gefangene gewiß verloren. Ich hörte,
wie jener Zambo zu Leonardo neulich sagte: Entwischen
sollen sie uns sicher nicht, wenn die Geschichte schief ginge,
denn der eine Ausweg ist uns sicher, und daß der da drin-
nen nichts verräth, das werde ich schon besorgen, denn mich
kennt er jetzt auch, und ich mag nicht seinetwegen in die
Berge gehetzt werden."
„Aber wohin führt der Ausweg, von dem sie sprachen ?"
frng Mercedes.
„Das weiß ich selber nicht," klagte das Mädchen, „es
ist ein altes Haus und nicht weit davon steht ein früheres
Kloster — möglich, daß zwischen beiden eine Verbindung,
ein versteckter Gang liegt oder eine Thüre in einen der be-
nachbarten Hofräume führt. Deren Geheimniß vertrauten
sie mir aber nie, denn ich glaube fast, sie haben schon Ver-
dacht gegen mich gefaßt. Don Leonardo frug mich wenig-
stens noch heule Morgen, was ich hier in der Straße so
oft zu suchen hätte, und drohte mir mit einem recht bösen
Blick, als ich ihm sagte, daß meine Tante hier wohne. Sic
wissen übrigens nicht, daß ich den Namen des Gefangenen
kenne. Wird aber das Haus besetzt und sehen sie sich be-

droht, dann tödten sie ihn auch sicher vor ihrer Flucht und
ich bin dann seine Mörderin."
„Und wenn sic ruhig zufrieden gelaffen werden und
das Geld bekommen, glaubst Du daun, daß sie ihn unge-
schädiqt freilaffen?" fragte Dolores.
Juana zögerte wohl eine halbe Minute mit der Ant-
wort, dann sagte sie leise, aber ganz bestimmt: „Nein, er
hat den Einen von ihnen erkannt und der junge de Guerra
ist ein böser, leidenschaftlicher Mann — sie werden das
Geld nehmen und ihn doch tödten, um nicht derrathen zu
werden."
DoloreS stöhnte leise vor sich hin; da sagte Mer-
cedes :
„Du darfst das Haus betreten. Muchacha, wie?"
„Zu jeder Zeit," lautete die Antwort; „es lebt auch
noch außerdem oben eine alte Frau darin, die aber schlecht
ist und häufig mit jungen Mädchen und Frauen heimlich
verkehrt."
«k „Also kommen auch fremde Leute in das Haus?"
„Ja. aber nur Frauen, und mit den unten befindlichen
Zimmern nicht in Berührung; mein Eingang ist über den
engen dunklen Hof in die kleine, hinten befindliche Küche,
und von da erst kann ich zu dem Gefangenen gelangen.
Die beiden Thüren vorn find fest verschlossen und verriegelt
und werden nie geöffnet. Selbü die Sennores müssen stets
durch die Küche gehen."
„Und Mädchen, sagst Du, kommen zuweilen zu der
Frau?" frug Mercedes.
(Fortsetzung folgt.)
 
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