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Fünftes Kapitel.
denken kann: nachdem man die langsame Bergabdachung von Montpel-
lier, mehrere Hügel durchschneidend, herabgeeilt ist, braust der Zug
lange parallel dem Etang von Maguelonne hin ; hier links jenes we-
nig bewegte Wasser mit dem von Schiffen der Binnengewässer beleb-
ten Canal von Beaucaire, zu dem von den einzelnen Orten Seitenca-
näle hinführen, zur Rechten niedriges, vielfach überschwemmtes Land
mit Vignen bedeckt, weiter dunkle, schroffe und kahle Kalkberge. Wie
düster und schmutzig, mehr Steinmassen als Wohnungen von Menschen
verrathend, erscheinen die Ortschaften dieses Geländes, das die be-
rühmtesten Weinsorten zieht, so Mirval, Frontignan! Da fährt die
Eifenbahn mitten in das Wasser hinein und sie durchraufcht mit ihren
Feuerrossen das feindliche Element. Wir sind auf einer Landzunge,
einer Nehrung. Die Wogen des offenen Meeres brechen sich neben uns
an der wenig erhöhten Düne und in dem Dünengestrüpp auf leichtem
Sande eilen wir unserm Ziele zu.
Es war bereits dunkel geworden, als wir im vollgedrängten Omni-
bus die regelmäßigen Straßen von Cette durchfuhren. An dem Ca-
nal, der dasselbe in der Mitte durchschneidet, liegt in der Reihe statt-
licher, aber im Durchschnitt wenig bewohnter Häuser auch das, wo
bereits meine Montpellieser Freunde mir Logis und eine freundliche
Aufnahme bereitet hatten. Die großen, hohen Räume der ersten Etage
waren zu einem stattlichen Familienlogis wohl eingerichtet; das junge
Ehepaar hatte im vorigen Winter seine selbstständige Wirtschaft hier
begonnen, sonst dienten sie nur zum Absteigequartier der Handelsher-
ren, die wöchentlich für ihre Geschäfte nach Cette herabkommen. In
dem zweiten Stocke wohnt der Gerant des Geschäftes, ein Hamburger,
welcher unverheiratet seit einer Reihe von Jahren hier lebt, in der
südlichen, fremden Umgebung nur um so schroffer das nordische, gehal-
tene, abstracte Wesen sich bewahrte und in der Gesellschaft der jungen
deutschen Commis, deren Zahl nicht unbedeutend ist, eine gewisse Au-
torität sich erworben hat. Dazu kommt ein altes Mütterchen, das in
der Familie bereits die vierte Generation in jenem kleinen Enkel kom-
men sah, selbst von Töchtern und deren Familie umgeben. Das Haus
selbst bildet nur die Vorlage zu drei bis vier Höfen, die von großen
Aufbewahrungslocalen getrennt sind.
Fünftes Kapitel.
denken kann: nachdem man die langsame Bergabdachung von Montpel-
lier, mehrere Hügel durchschneidend, herabgeeilt ist, braust der Zug
lange parallel dem Etang von Maguelonne hin ; hier links jenes we-
nig bewegte Wasser mit dem von Schiffen der Binnengewässer beleb-
ten Canal von Beaucaire, zu dem von den einzelnen Orten Seitenca-
näle hinführen, zur Rechten niedriges, vielfach überschwemmtes Land
mit Vignen bedeckt, weiter dunkle, schroffe und kahle Kalkberge. Wie
düster und schmutzig, mehr Steinmassen als Wohnungen von Menschen
verrathend, erscheinen die Ortschaften dieses Geländes, das die be-
rühmtesten Weinsorten zieht, so Mirval, Frontignan! Da fährt die
Eifenbahn mitten in das Wasser hinein und sie durchraufcht mit ihren
Feuerrossen das feindliche Element. Wir sind auf einer Landzunge,
einer Nehrung. Die Wogen des offenen Meeres brechen sich neben uns
an der wenig erhöhten Düne und in dem Dünengestrüpp auf leichtem
Sande eilen wir unserm Ziele zu.
Es war bereits dunkel geworden, als wir im vollgedrängten Omni-
bus die regelmäßigen Straßen von Cette durchfuhren. An dem Ca-
nal, der dasselbe in der Mitte durchschneidet, liegt in der Reihe statt-
licher, aber im Durchschnitt wenig bewohnter Häuser auch das, wo
bereits meine Montpellieser Freunde mir Logis und eine freundliche
Aufnahme bereitet hatten. Die großen, hohen Räume der ersten Etage
waren zu einem stattlichen Familienlogis wohl eingerichtet; das junge
Ehepaar hatte im vorigen Winter seine selbstständige Wirtschaft hier
begonnen, sonst dienten sie nur zum Absteigequartier der Handelsher-
ren, die wöchentlich für ihre Geschäfte nach Cette herabkommen. In
dem zweiten Stocke wohnt der Gerant des Geschäftes, ein Hamburger,
welcher unverheiratet seit einer Reihe von Jahren hier lebt, in der
südlichen, fremden Umgebung nur um so schroffer das nordische, gehal-
tene, abstracte Wesen sich bewahrte und in der Gesellschaft der jungen
deutschen Commis, deren Zahl nicht unbedeutend ist, eine gewisse Au-
torität sich erworben hat. Dazu kommt ein altes Mütterchen, das in
der Familie bereits die vierte Generation in jenem kleinen Enkel kom-
men sah, selbst von Töchtern und deren Familie umgeben. Das Haus
selbst bildet nur die Vorlage zu drei bis vier Höfen, die von großen
Aufbewahrungslocalen getrennt sind.