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Fünftes Kapitel.

glücklich eingelaufen. Dort raucht ein großes Dampfschiff, es soll in
zwei Stunden die Anker lichten, um nach Afrika Soldaten und Aus-
wanderer überzuführeu. Wie verlockend ist es doch, auch einmal den
Fuß auf den Boden des andern Erdtheils zu setzen! Die Bekannten
in Montpellier konnten es nicht recht begreifen in Cette zu seyn und
diesen Abstecher nicht zu machen, den ein jeder von ihnen schon kennt;
haben sie doch einmal in eigenem kleinem Dampfschiff die Küstenfahrt
dort versucht, sind freilich dann an die spanische Küste verschlagen wor-
den. Jedoch es wird nun Zeit die windige Bergspitze zu verlassen, de-
ren Aussicht unwillkürlich sich mir neben eine nordische stellt, die ich
auf dem höchsten Punkte der Küste von Usedom, über der Stelle des
alten Vineta über die Ostsee, das Haff und Achterwater und die pom-
mersche Küste hatte. Auch hier wie dort Meer und dahinterliegende
Binnensee, Nehrung und der isolirte Berg. Und doch wie verschieden
sind jene grünen Wiesen, jene Buchenwälder der Ostsee von dem südlich
braunen Gebirg und den Weinebenen Languedocs!
Im Canal, der von dem Meer zum Etang du Tau führt, liegt
das Dampfschiff, auf dem ich meine Reise fortsetzen soll. Allmälig
füllt sich der Bord: einige Priester, eine Anzahl kräftiger, stattlich aus-
sehender Matrosen, die auf Urlaub aus dem Kriegshafen von Toulon
in ihre Heimath in die Pyrenäen von Roussillon zurückkehren, andere
Soldaten, Frauen mit mancherlei Verkaufsgegenständen bilden den
Hauptstock. Dazu kommeu ein Paar Kaufleute aus dem Norden —
siehe da, auch eiu Bekannter von dem Rhonedampfschiff, ein deutscher
Nadelhäudler aus Aigle in der Normandie, der einst zum Priester crzo-
geu, dann als Chirurg in Heidelberg studirt hat und nun durch eine Frau
seit ein Paar Jahrzehnten Kaufmann geworden ist, ein wunderlich lu-
stiger Geselle, ein bon^aryon, an dem die andere Gesellschaft sich amü-
sirte! Kaum sind einige deutsche Worte zwischen uns gewechselt, und
schon melden sich andere Landsleute: dort sitzen fünf Elsässer Juden,
die auf deu Weinkauf hier in den Süden ihre jährlich wiederholte Reise
machen. Wahrlich, man kann es den Franzosen nicht verdenken, wenn
sie unsere Sprache vielfach für eine rohe/ barbarische halten. Dieses
Kauderwälsch des Elsässer Judendialektes ist ein seltenes Beispiel von
Sprachentartung, wo alles Breite, Rauhe, Gequetschte des Dialekti-
 
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