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Michelangelo; Steinmann, Ernst [Hrsg.]
Die Portraitdarstellungen des Michelangelo — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 3: Leipzig: Klinkhardt & Biermann, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.47056#0020
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Buonarrotis über die Herzöge des Hauses Medici gefällt hat? »Er bildete weder den
Herzog Lorenzo,« schrieb er am 28. Juli 1544 an einen Sekretär des Horatio Farnese,
»noch den Herrn Giuliano nach dem Vorbild, wie die Natur sie geschaffen hatte, sondern
er gab ihnen die schönsten Verhältnisse, eine Würde, eine Anmut, einen Glanz ohnegleichen,
indem er sagte, nach tausend Jahren würde doch niemand mehr beweisen können,
daß sie anders ausgesehn als er sie dargestellt«0.
Wir kennen in der Tat von Michelangelos Hand, welcher doch sieben Päpsten gedient
hat, kein anderes Papstporträt als jene zerstörte Bronze Julius II. Auch eine Statue, die
der Senat von Genua dem Andrea Doria zu setzen gedachte, gelangte niemals zur Aus-
führung0, und die Bitte des Herzogs von Florenz, seine Büste in Marmor auszuhauen,
lehnte Michelangelo unter Berufung auf sein Alter ab1 2 3) 4 5. Die Brutusbüste aber in Florenz
und jene herrliche Kleopatrazeichnung, die Tommaso Cavalieri an den Herzog Cosimo
schenkte0, können sich in der Kunst Michelangelos als Porträtdarstellungen noch weniger
behaupten, als die Capitani der Medici-Denkmäler.
Auch den Affekt der Freundschaft brachte Michelangelo lieber mit der Feder zum
Ausdruck, als daß er zum Pinsel oder Meißel griff. Allerdings entwarf er für das Grabmal
des frühverstorbenen Gecchino Bracci eine Zeichnung und überwachte die Ausführung
des Denkmals, aber er verfaßte doch auch nicht weniger als fünfzig Epigramme, bestimmt,
den Freund Luigi del Riccio über den Verlust seines Lieblings zu trösten0. Als Gandolfo
Porrino ihn bat, seinen Augen Frieden und Freude zurückzugeben, und ihm die Züge
seiner frühentrissenen Geliebten, der Mancina, durch Pinsel oder Meißel festzuhalten6) 7,
verfaßte Michelangelo zwar ein Epigramm für das Denkmal der Verstorbenen, aber die
Bitte um ein Bildnis lehnte er ab. »Diese Schönheit, die selbst im Himmel nicht über-
troffen werden kann, — so etwa lauten seine Verse — war nur für Euch allein bestimmt.
Sie Euch zurückzugeben, vermögen mein Meißel und mein Pinsel nicht, denn meine
Kunst reicht nicht aus, das Tote lebendig machen, das kann nur Gott allein«0.
Es ist in jenen Tagen oft geschehen, daß sich der Dichter mit einem mehr oder minder
1) II primo libro delle lettere di . Nicolo Martelli. 1546. p. 49r. Vgl. Notizie letterarie dell’ accademia Fiorentina.
Firenze 1700. p. 99.
2) Gotti, Vita di Michelangelo Buonarroti I, 177.
3) Lettere ed. Milanesi. p. 173.
4) Im Burlington Fine Arts Club in London waren im Jahre 1870 ein Gemälde und eine Zeichnung, beide Kleopatra
darstellend, unter dem Namen Michelangelos ausgestellt. Catalogue p. 15 Nr. 100 und 101. Die Zeichnung gelangte später
aus der Sammlung Vaughan ins British Museum, das Gemälde befand sich im Besitz von Sir William Drake. Zwei andere
Kopien einer Kleopatra-Zeichnung werden im Louvre und in der Casa Buonarroti bewahrt. Vielleicht hat eine dieser Zeich-
nungen als Vorlage für die Marmorbüste gedient, die F. Pona als ein Werk des Michelangelo besungen hat. Vgl. Repert. f. Kw.
XXXIX, 417 und Thode III, 500—502. Zu den vermeintlichen Porträts der Söhne Urbinos vgl. Thode V, 309.
5) Monatshefte für Kunstwissenschaft I (1908) 963 ff. Thode, Michelangelo. V, 232.
6) Frey, Dichtungen p. 272. CLXXXI u. p. 499. Das Michelangelo sich erbot in Florenz das Denkmal Dantes aus-
zuführen, wenn es gelänge, die Gebeine des Dichters nach Florenz zu bringen, ist allgemein bekannt. (Vgl. E. Fattori,
Michelangelo e Dante. Firenze 1875 p. 9). Im Archivio Strozzi in Florenz hat man ein Dokument gefunden aus dem
hervorgeht, daß Michelangelo dem König Franz I. von Frankreich anbot, ihm eine Reiterstatue in Bronze auf der Piazza
della Signoria in Florenz zu errichten, wenn er Florenz das zurückgeben ließe, was ihr genommen worden wäre. Vgl.
Niccolo Laurenti e Francesco Gasparoni, Piacevole raccolta di opuscoli sopra argomento d’arti belle. Roma 1846. Vol. III p.55.
7) Frey, Dichtungen, p. 172. Guasti, Le rime. p. 4 und p. 165. Was Michelangelo verweigerte, gewährte Giulio Clovio.
In den Freskenzyklen von Caprarola hat Taddeo Zuccari eine Claudia Mancina gemalt. (Vasari VII, 112.) Eine »Mancina«
bezeichnete Büste wird im Capitolinischen Museum bewahrt. Auch in Caros Briefen (Lett. fam. I, 118, Lett. ined. I, 60)
wird die Mancina genannt, von welcher Fulvio Orsini das Porträt besaß, das Giulio Clovio gemalt hatte. Gazette d. B.
Arts XXIX (1884) p. 435 Nr. 91.

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