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Der Kopf wurde zuerst als Porträt Michelangelos angesprochen von E. Steinmann
(Zur Ikonographie Michelangelos. Monatshefte für Kunstwissenschaft I [1908] p. 40 ff.).
Die Ähnlichkeit wird beeinträchtigt durch die Gestaltung der Nase, die nichts von den
Spuren der Faust Torrigianis zeigt. Die hohe Stirn, welche die vollen Haare beschatten,
die scharfgeschnittenen, tiefliegenden Augen, der breite Mund, der Schnitt des Bartes,
alles das stimmt bei diesem Porträt mit dem der Sammlung Chaix d’Est-Ange überein.
Äußerlich spricht für die Darstellung Michelangelos der Umstand, daß er das berühmteste
Mitglied der Fraternitä von San Giovanni Decollato war1), es spricht auch dafür die Be-
obachtung, daß Jacopo del Conte ein Werk Michelangelos im Hintergründe aufgestellt
hat, jene unvollendete Statue des David, die sich heute im Bargello befindet.
Trotz allem wird das Porträt in San Giovanni Decollato immer ein hypothetisches
Porträt bleiben, auch wenn nunmehr sein Zusammenhang mit dem Porträt der Sammlung
Chaix d’Est-Ange wahrscheinlich gemacht werden kann. Es ist denn auch von Thode
(V, 5 51), allerdings ohne überzeugende Gründe, ohne weiteres abgelehnt worden. J. duTeil
(Essai sur quelques portraits peints de Michelange Buonarroti. Societe nationale des anti-
quaires de France seance du 13 novembre 1912p. 166) hat die Identifizierung des Kopfes
mit Michelangelo dagegen als Tatsache behandelt.

TAFEL 8.
Das Porträt der Sammlung Chaix d’Est-Ange in Paris.
Auf Holz gemalt. H. 89 cm. Br. 65 cm.
Für eine stilkritische Analyse des merkwürdigen Bildnisses fehlen uns heute noch die
Grundlagen. Erst wenn man das Oeuvre des Jacopo del Conte als Porträtmaler kennen
wird, wird man in der Lage sein, auch aus stilkritischen Gründen nachweisen zu können,
daß das Porträt der Sammlung Chaix d’Est-Ange das Originalporträt des Jacopo del Conte
ist und zugleich der Urtypus aller jener Porträts, die über ganz Europa zerstreut, mehr
oder minder laut den Anspruch erheben als Originalporträts zu gelten.
Das Verdienst, dies jahrzehntelang verschollene Porträt Michelangelos bekannt gemacht
zu haben gebührt dem Baron Joseph du Teil. Er veröffentlichte das Porträt zuerst in Les
Arts (Juli 1907 p. 4) als ein Selbstporträt Michelangelos und hat diese Hypothese auch in
seinem Vortrag über die Ikonographie Michelangelos in der Societe nationale des anti-
quaires de France vom 13. November 1912 aufrecht erhalten und zu begründen versucht2).
Wenn ich auch überzeugt bin, daß das Porträt der Sammlung Chaix d’Est-Ange das
Originalporträt des Jacopo del Conte ist und keinesfalls dem Michelangelo selbst zu-
geschrieben werden darf, so ist doch zu betonen, daß die Ausführungen des Baron du Teil,
die mir in den Korrekturen vorliegen, in der Forschung über die Porträtdarstellungen
Michelangelos einen wirklichen Fortschritt bedeuten. Die Erörterungen, die sich im
folgenden auf die Herkunft des Bildes und seine früheren Beurteilungen beziehn, gründen
sich vor allem auf die Arbeit des Baron du Teil.
Das Porträt wurde zwischen 1802 und 1807 von Baron Alquier in Neapel erworben,
wohin ja auch die ganze Bourbonen-Erbschaft aus dem Palazzo Farnese, also wahrscheinlich
1) Es waren die Brüder von San Giovanni Decollato, die den Leichnam Michelangelos aus seiner Wohnung in ernstem
Gepränge nach Santi Apostoli geleiteten. Vgl. Th. Schreiber in der Festgabe für Anton Springer. Leipzig, 1885, p. 109.
2) Vgl. Essai sur quelques portraits peints de Michelange Buonarroti a. a. O. 1913 p. 186; p. 193 ff. p. 205.

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