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Michelangelo; Steinmann, Ernst [Hrsg.]
Die Portraitdarstellungen des Michelangelo — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 3: Leipzig: Klinkhardt & Biermann, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.47056#0081
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Dank der Güte von Monsignor De Bisogno, Economo von St. Peter, war es mir mög-
lich in den Räumen der Fabbrica di S. Pietro nach der verlorenen Bronze zu suchen. Be-
kanntlich befindet sich die Fabbrica di San Pietro in den oberen Stockwerken der Basilica,
einem wahren Labyrinth von großen und kleinen Magazinen. Daß hier die Büste Michel-
angelos noch irgendwo verborgen ist, scheint auch nach den von mir angestellten —
resultatlos verlaufenen — Nachforschungen durchaus möglich zu sein.
Daß man in der Fabbrica von St. Peter, wo noch heute Michelangelos riesiges Kuppel-
modell bewahrt wird, auch seine Büste aufgestellt hat, ist sehr begreiflich. Auch darüber
kann kaum ein Zweifel herrschen, daß die Bronze einer der Abgüsse des Daniello da Volterra
gewesen sein muß. Wie die Büsten in Rimini und im Musee Jaquemart-Andre in Paris
gehört sie zu der Reihe von Bronzen, die im Inventar als »una testa con petto di bronzo«
aufgeführt werden. Sie direkt mit einer dieser Büsten zu indentifizieren, kann man nicht
wagen, da der Rock auf der Zeichnung nicht die Doppelknöpfe zeigt wie auf den Büsten.
In der Michelangelo-Literatur ist von einer Büste in St. Peter bis heute nie die Rede
gewesen.
TAFEL 61.
Bronzekopf im Castello Sforzesco zu Mailand.
Die Bronze ist unziseliert geblieben und war schon beim Guß äußerst mangelhaft ge-
lungen. Dunkelbraune Patina. Überall sind die für den Guß notwendigen Luftlöcher ein-
fach mit Bronze-Pflastern zugeklebt. So über der ganzen Stirn, am Bart, am Munde, unter
der Nase. Die gezerrten Hautfalten zwischen Mundwinkel und Backenknochen wirken
ganz natürlich und scheinen wieder die von Fortnum, Santarelli u. a. aufgestellte Be-
hauptung zu bestätigen, die Büste Daniellos sei nach der Totenmaske ausgeführt. Das
Gesicht wirkt auffallend flach. Die Nase erscheint ganz plattgedrückt. Die Hirnschale ist
angesetzt. Die Augen sind mittelmäßig gearbeitet, die Locken über der Stirn bis zu den
Ohren herunter scheinen nach dem Fresko des Daniello da Volterra hinzugefügt.
In diesem Urzustände ist die Mailänder Bronze besonders merkwürdig. Sie läßt uns
eben mit ziemlicher Deutlichkeit erkennen, wie wenigstens einige von Daniellos Abgüssen
aussahen, bevor sie vom Ziseleur überarbeitet wurden.
Die Bronze stammt, wie die Büste der Brera, aus dem Besitz des Giuseppe Bossi und
war im Jahre 1911 im Castel St. Angelo in Rom ausgestellt. Vgl. Fortnum a. a. O. p. 173,
Nr. 8 und p. 176 und ThodeV, 536.
TAFEL 62.
Bronzekopf mit Kragen auf schwarzem Marmorsockel. Legs Eugene Piot. Louvre. Paris.
Eugene Piot, der letzte Besitzer dieses Kopfes, ehe er Staatseigentum wurde, hat ihn
zweimal mehr und weniger ausführlich beschrieben: »La tete, sillonne de rides, est legere-
mentinclineeversl’epaule gauche; lescheveux encore abondants sontlegerement boucles.
Le regard est fixe, les pommettes sont radiantes, le nez est deprime, comme on sait par
le coup deTorrigiano. La barbe, qui est entiere mais courte fourche ä l’extremite du
menton. L’expression generale de la physionomie est d’un profonde melancolie.
Zeichnung sei nach der Bronze selbst gemacht, das andere Mal aber sagt, er habe sie nach der Kopie in Gips ausgeführt.
Die Michelangelo-Mythe hat sich bei Ghezzi bereits zu den seltsamsten Vorstellungen verdichtet. Michelangelo ist nicht
nur ein Sohn des Grafen von Canossa, er verdankt es z. B. seinem Scharfsinn und Geschick als Sammler von Antiken in
dem Buche Ghezzis über antike Gemmen porträtiert worden zu sein.

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