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dann seine volle ästhetische und erzieherische Wirkung ausüben kann, wenn
es an dem Ort und in der Umgebung sich befindet, für die es in alter Zeit
gedacht und geschaffen war. Wir erinnern uns der Worte Museumsdirektors
von Bezold auf dem Erfurter Denkmalpflegetag: „Ein Museum ist wissen-
schaftlich eine notwendige und erfreuliche Erscheinung; vom künstlerischen
Standpunkt aus ist es aber doch ein Notbehelf. Ein Kunstwerk wirkt
immer an Ort und Stelle ganz anders, als wenn es in eine ganze Reihe ähn-
licher eingereiht wird, und selbst die schönste Aufstellung bietet, vom
künstlerischen Standpunkt aus betrachtet, keinen sehr erfreulichen Ein-
druck.“

Die natürliche Folge dieser Erkenntnis ist die Tatsache, daß in immer
häufiger werdenden Fällen die Kirchengemeinden mit der Bitte an die Museen
herantreten, die seinerzeit aus der Kirche entfernten Altäre, Schnitzereien,
Bilder u. a. ihnen zur Neuaufstellung zurückzugeben. In vielen Fällen wird
auch ohne weiteres diesem dankenswerten Wunsche entsprochen. Das
Gewerbemuseum in Bremen gab der Stephanikirche die schöne Rokoko-
orgelfassade zurück, das Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin der Kirche von
Altenberg eine Doppelmadonna, und aus unserem Dresdner Altertums-
museum könnte ich eine ganze Anzahl von Beispielen anführen.

Zumeist geschieht es jedoch nur mit den Gegenständen, die seinerzeit
als Leihgabe den Museen übergeben worden waren. Anders verhält es sich
bei den kleinen Museen und insbesondere mit den Denkmälern, die früher
von den Museen käuflich erworben würden und an denen die Kirchenge-
meinden heute kein Besitzrecht mehr haben. Eine Zurückgabe wird hier
vielfach aus der Befürchtung verweigert, daß dadurch gerade die besten
und wertvollsten Stücke dem Museum entzogen und schließlich der Bestand
des Museums zur Auflösung kommen könne.

Ich betone, daß ich hier nur von den kleinen und kleinsten Ortsmuseen
sprechen will und bin der Meinung, daß diese Ortsmuseen mit der Weigerung,
alte Bestände wieder den Kirchen zurückzugeben, der Denkmalpflege keinen
Nutzen, sondern nur Schaden verursachen. Sie, meine Herren, als Fach-
leute, wissen es zu gut, daß, wenn die Frage gestellt würde, wo ein Bild, eine
Schnitzerei oder irgend ein kirchliches Kunstdenkmal besser seine Bestim-
mung erfülle und für seine Erhaltung Sicherheit geboten sei, in der Kirche
oder in einem der kleinen Ortsmuseen, die Antwort nicht zweifelhaft sein kann.

Den ursprünglichen Zweck, mit ihrem Museum einfach schützende
Unterkunftsräume den verkannten Denkmälern zu bieten, hatten die
Altertums- und Geschichtsvereine sehr bald außer acht gelassen und ihr
Ziel geändert. Die Vorstände dieser Museen erfaßte der falsche Ehrgeiz,
mit den großstädtischen Museen wetteifern zu wollen; sie strebten danach,
eine reichhaltige Sammlung aller möglichen Gegenstände zu bekommen,
sie traten in Wettbewerb mit benachbarten Museen, man suchte die Kirchen
und Kirchenbehörden ab, nahm dem Bürger und Bauer sein letztes Stück
alten Hausrates und redete ihm ein, daß er stolz sein müsse, wenn sein
Schrank, seine Truhe, sein Zinngerät im Museum sich befinde, daß die
Hergabe ein Zeichen seiner heimatstreuen Gesinnung sei. Mit der Furcht
vor dem im Lande herumreisenden Altwarenhändler ist die oft erzwungene
Abnahme alter Stücke aus Bürger- und Bauernhaus in den verflossenen
Jahrzehnten nur sehr bedingt zu entschuldigen, jetzt bei den enorm hohen
 
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