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Preisen für Altwaren wäre sie berechtigter. Es hätte andere Wege gegeben
und durch sachgemäße Aufklärung hätte vieles im Hausrat des Bürgers
und Bauers erhalten werden können, was jetzt in irgend einem verkommenen
Winkelmuseum ein Scheinleben führt.

Damit verloren die allermeisten Ortsmuseen ein abgegrenztes Ziel und
leiden an der so gefährlichen Museumskrankheit, der Überfüllung, die daran
schuld ist, daß kein Besucher zur ruhigen gesammelten Betrachtung, zum
Verständnis kommt. „Wie trostlos wirken die endlosen Reihen prähisto-
rischer Topfe, wie stimmungslos die aufeinander gestellten Haufen von
Innungstruhen. Kommt man in ein solches Museum, so kann man nicht
sagen, ob man es mit einer Schausammlung, einem Kunstgewerbemuseum
oder einem Stadt- bezw. historischen Museum zu tun hat. Man gewinnt
nur den Eindruck einer nicht geordneten, in ungenügenden Räumen ohne
Sachkenntnis und Verständnis angehäuften Menge der verschiedensten
alten Gegenstände.“ Der Name „Rumpelkammer“ ist zwar abgebraucht,
aber der einzig bezeichnende dafür.

Vermehrt wurde das Übel noch durch die zahllosen Neugründungen
von Ortsmuseen. Überall fand sich ein eifriger Sammler, den der Ehrgeiz
trieb, aus seiner Sammlung ein Museum zu machen und den Titel „Museums-
vorstand“ zu übernehmen. In Sachsen allein haben wir über 60 Ortsmuseen,
darunter in einer Anzahl Gemeinden mit weniger als 5000 Einwohnern. Wir
alle wissen, wie solche sogenannten Museen entstehen, wie dann, wenn der
Gründer gestorben ist oder versetzt wird, sich oft niemand mehr um das
Museum kümmert, dessen Gegenstände werden dann irgendwohin verpackt,
gehen zugrunde, fallen einzelnen „Stichproben“ zum Opfer, werden in alle
Winde zerstreut. Jeder, der sich mit Denkmalpflege ernst beschäftigt, kennt
den traurigen Zustand dieser sogenannten Museen, die keine Museen der
Bedeutung des Wortes nach sind. Das hohe und erhabene Ziel eines Museums
wird da nicht erreicht, sondern das Gegenteil. Diese Sammlungen geben
kein Bild der alten Kultur, vermitteln kein Unterscheidungsvermögen, was
mit Bildung gleichbedeutend ist, lösen keine Freude und keinen ästhetischen
Genuß aus. Der Hinweis, daß durch sie Heimatliebe geweckt und gestärkt
werde, ist nur ein leeres Schlagwort.

Die Verantwortung für diese Mißstände tragen die Vorstände dieser
Sammlungen, die sich aus Männern aller möglichen Berufsarten rekrutieren,
nur nicht aus sachverständigen und für den Museumsberuf vorgebildeten
Fachleuten. Ohne Zweifel höchst achtbare und vortreffliche Leute, denen
aber jegliche Vorbildung und auch durch ihren Lebensberuf die nötige Zeit
fehlt, um den ihnen obliegenden Pflichten als Museumsleiter irgendwie
gerecht zu werden. Herrschte doch Jahrzehntelang an vielen hohen Stellen
die Überzeugung, daß zur Leitung von selbst sehr -bedeutenden wissen-
schaftlichen Museen sich pensionierte Offiziere am besten eigneten. Wie
jeder glaubt, über Kunst reden zu dürfen, so glaubt jeder Sammler oder
Freund von Altertümern, wenn er ein paar Meißner Porzellantassen oder ein
paar Kupferstiche zu Hause hat, von sich, das Zeug dazu zu haben, einem
Museum vorstehen zu können. Die Einwohnerschaft einer kleinen Stadt ist
viel zu indolent, um darüber nachzudenken, daß ebenso wie für jeden
anderen Beruf eine besondere Vorbildung nötig ist, eine solche auch für den
Museumsberuf nicht nur erwünscht, sondern eine Bedingung sein muß.
 
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