Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
13 L

von der rastlos arbeitenden Menschenhand verschont. Niagara, Neckar
und Walchensee sind schon zum Teil erschlossen, Schaffhausen, Rhein,
Main, Donau und andere werden folgen.

Die Welt von heute ist anders; heute ist es weniger die Tatsache, daß
einzelne Wasserkiäfte erschlossen oder genutzt werden sollen, als vielmehr
die Frage, wie das geschehen soll; die Frage macht Sorge, sind wir Meister
dieser Millionen- und Milliardenaufgaben?

Ich sehe zu meinem Bedauern weder in Studienplänen der Hochschulen,
noch den Prüfungsfächern diese kulturellen Seiten der Technik betont,
ich finde sie auch leider nicht in bemerkenswerten neuen wissenschaftlichen
Büchern über Ingenieur- und Wasserwirtschaftsbauten; ich finde infolge-
dessen auch vielfach nicht den Geist in der Beamtenfachwelt und der Jugend,
die zur Lösung solcher Aufgaben berufen ist und später berufen wird. Der
Hinweis auf die Erfüllung der Aufgaben auch nach Solcher Richtung ist
eine ernste Aufgabe der Gegenwart und damit der vereinigten deutschen
Denkmalpflege- und Heimatschutztagung. Eine dankbare Aufgabe der
Literatur ist es, dieser Seite neben der rein technischen künftig gerecht
zu werden.

Seit Jahrhunderten gibt es Bücher für das architektonisch-formale
Schaffen; es sind für die Häuser der Menschen Formeln und Grundsätze
aufgestellt, es gibt eine Stil-Formen- und -Farbenlehre, für die Ingenieur-
baukunst dieser Aufgaben dagegen nicht, weil sie zu jung ist, weil sich ein-
heitliche Grundbegriffe für solche Aufgaben allgemein noch nicht heraus-
gebildet haben, weil der einzelne mehr oder weniger stark es wohl fühlt
und zum Ausdruck bringt, Grundsätze für sein Schaffen aber nicht anzu-
geben vermag. Darum die Frage. „Gibt es auch für solche Aufgaben Formen
und Formeln oder ist es nicht vielmehr lediglich Sache der Person und deren
taktvollem Auftreten, unbewußt das zu leisten, was empfindsam schauende
Menschen erhoffen und wünschen?“

Wasserwege und Wasserkraftanlagen treten in weit engere Beziehungen
zur Natur, als andere Nützlichkeitswerke des Menschen ; sie haben sich daher
mit ihr zu vertragen. Die Natur ist eine seit Jahrtausenden unveränderliche
Größe, die durch die Ruhe der Linien, die Oberflächenbildung, ihre Farben
und die Bewegung des Wassers spricht, was auf ihr lebendig ist, ist das
Wasser. In der Natur drückt sich, gleichviel, ob sie die Ebene oder das Hoch-
gebirge ist, die Horizontale in der Landschaft der Ebene in dem Zug des
Wassers, die Vertikale in aufragenden Felsen, in den Pappeln der Straße,
den Bäumen des Waldes das Große in den Bergen und Waldkörpern und
die sanft geschwungene Linie in dem Zug der Berge, der Straßen, den Flüssen
und Bächen aus. Die Natur kennt keine harten Linien, sie kennt nicht die
Diagonale, auch nicht Kleinliches, keinen Widerspruch der Farben, nur
Farbenharmonie. Die Großartigkeit der Natur wirkt am edelsten da, wo
sie von Menschenhand, von menschlichen Werken unberührt geblieben ist,
das gemalte Bild des stillen Waldes oder des wilden Hochgebirges steht
mir am höchsten. „Sie strebt empor, sie zieht den Geist mit sich hinauf,
sie ist das natürliche Sinnbild von allem edlen, hohen Streben.“ Der wild-
bewegten romantischen Natur steht das Bild der stillen freien Landschaft
gegenüber, deren Schönheit und Eigenart in der Ruhe der Erscheinung,
der Farbenstimmung mit dem weit sichtbaren Horizont und der Wolken-

9*
 
Annotationen