Kapitel 3. Die Funktion der Millionenjahrhäuser
Das, was in Teil I in extenso aus dem philologischen und archäologischen Kontext der Belege
heraus in Bezug auf Kultempfänger und Kultgeschehen der Millionenjahrhäuser getrennt für
die einzelnen Anlagen erarbeitet wurde, soll hier nun zusammenfassend skizziert werden.2041
Die Millionenjahrhäuser weisen eine enorme Vielfalt in ihrem Grundriss, ihrer Architektur
und ihrem Bild- und Textprogramm auf und sie sind über einen langen Zeitraum hinweg be-
legt. Einige übereinstimmende funktionale Aspekte lassen sich jedoch bei aller Vielfalt in der
formalen Gestaltung dieser Anlagen fast immer wiederfinden - vorausgesetzt allerdings, es
steht genügend Information zu den jeweiligen Tempeln zur Verfügung, was z.B. beim ersten
Beleg unter Amenemhet III., aber auch bei den späten Belegen unter Scheschonq I. und Osor-
kon II. nicht der Fall ist.
Im Folgenden soll also das, was - auf der funktionalen Ebene - als allen Millionenjahrhäusern
gemeinsam erkannt wurde, dargelegt werden, um so das für diese Anlagen spezifische Kultge-
schehen und damit ihre raison d'etre zu erfassen.2042
3.1. Kultempfänger
Der eindeutig königliche Bezug dieser Kultanlagen, der bereits in ihrer Benennung durch das
Element des Königsnamens zum Ausdruck kommt, lässt sich nahezu überall im philologi-
schen und/oder archäologischen Kontext der Belege nachweisen.
Er beginnt mit dem ersten Beleg unter Amenemhet III., in dem von den „Häusern der Majestät
dieses Gottes der Million an Jahr(en)" die Rede ist, wobei mit „Majestät dieses Gottes" klar
der König angesprochen ist. Könnte man hier noch argumentieren, dass sich dies nur auf eine
Bauherrenschaft bezieht, so ist dies bereits bei dem nächstfolgenden Beleg unter Sobekhotep
IV. nicht mehr möglich. Der mit dem Königsnamen gebildete Eigenname dieses Millionen-
jahrhauses trifft eine Aussage, die deutlich auf eine kultische Funktion der Anlage zu Gunsten
des Königs hinweist: Htp-k>-(Sbk-htp) = 'Zufrieden-ist-der-Ka-des-Sobekhotep'.
Rezipient des Kultgeschehens in diesem Millionenjahrhaus war demzufolge der Ka des Kö-
nigs, in dem ich - in Unterscheidung zum König als irdischer Person - die Verkörperung der
göttlichen Aspekte des Königs sehen möchte.2043 Der königliche Ka verknüpfte den König mit
der Welt der Götter; er ließ ihn teilhaben am Wesen des Schöpfergottes. Erschaffen zusam-
men mit der irdischen Gestalt des Königs im Zuge der Zeugung des nächsten Königs durch
Amun-Re, wurde durch ihn das von den Göttern legitimierte und damit selbst als sakral aufge-
fasste Königtum - bzw. die Berechtigung dazu - von Herrscher zu Herrscher weitergereicht.
Sein Ka verband den regierenden König mit seinen Vorfahrenkönigen und letztlich mit seinen
Götterahnen.
Der königliche Ka als Kultempfänger ist fortan beständig in fast allen Millionenjahrhäusern
nachzuweisen. Häufig zeigen die Texte mit den Millionenjahrhaus-Belegen eine enge räumli-
che Verbindung mit genau den Stellen im Tempel, an denen auch der königliche Ka inschrift-
2041 Zum Nachvollzug der folgenden Darlegungen sei besonders auf die Resümees zu den einzelnen Millionen-
jahrhäusern am Ende der jeweiligen Referenzen in Teil 1 verwiesen.
2042 Die bisherigen Beiträge zu dieser Thematik stammen v.a. von G. Haeny und R. Stadelmann sowie zuletzt von
C.Leblanc: Haeny, Basilikale Anlagen, 15f, ders., Fonction religieuse, ders., „Häuser für Millionen Jahre",
ders., „Mortuary Temples", Stadelmann, Totentempel, Leblanc, Temples de „millions d'annees". Die Ergeb-
nisse der hier vorgelegten Untersuchung bestätigen im Wesentlichen den Ansatz von G. Haeny.
2043 Zum Ka des Königs siehe U. Schweitzer, Das Wesen des Ka im Diesseits und Jenseits der alten Ägypter, ÄF
19, 1956, insbes. 48ff. sowie Bell, Luxor Temple und ders., „Divine" Temple.
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Das, was in Teil I in extenso aus dem philologischen und archäologischen Kontext der Belege
heraus in Bezug auf Kultempfänger und Kultgeschehen der Millionenjahrhäuser getrennt für
die einzelnen Anlagen erarbeitet wurde, soll hier nun zusammenfassend skizziert werden.2041
Die Millionenjahrhäuser weisen eine enorme Vielfalt in ihrem Grundriss, ihrer Architektur
und ihrem Bild- und Textprogramm auf und sie sind über einen langen Zeitraum hinweg be-
legt. Einige übereinstimmende funktionale Aspekte lassen sich jedoch bei aller Vielfalt in der
formalen Gestaltung dieser Anlagen fast immer wiederfinden - vorausgesetzt allerdings, es
steht genügend Information zu den jeweiligen Tempeln zur Verfügung, was z.B. beim ersten
Beleg unter Amenemhet III., aber auch bei den späten Belegen unter Scheschonq I. und Osor-
kon II. nicht der Fall ist.
Im Folgenden soll also das, was - auf der funktionalen Ebene - als allen Millionenjahrhäusern
gemeinsam erkannt wurde, dargelegt werden, um so das für diese Anlagen spezifische Kultge-
schehen und damit ihre raison d'etre zu erfassen.2042
3.1. Kultempfänger
Der eindeutig königliche Bezug dieser Kultanlagen, der bereits in ihrer Benennung durch das
Element des Königsnamens zum Ausdruck kommt, lässt sich nahezu überall im philologi-
schen und/oder archäologischen Kontext der Belege nachweisen.
Er beginnt mit dem ersten Beleg unter Amenemhet III., in dem von den „Häusern der Majestät
dieses Gottes der Million an Jahr(en)" die Rede ist, wobei mit „Majestät dieses Gottes" klar
der König angesprochen ist. Könnte man hier noch argumentieren, dass sich dies nur auf eine
Bauherrenschaft bezieht, so ist dies bereits bei dem nächstfolgenden Beleg unter Sobekhotep
IV. nicht mehr möglich. Der mit dem Königsnamen gebildete Eigenname dieses Millionen-
jahrhauses trifft eine Aussage, die deutlich auf eine kultische Funktion der Anlage zu Gunsten
des Königs hinweist: Htp-k>-(Sbk-htp) = 'Zufrieden-ist-der-Ka-des-Sobekhotep'.
Rezipient des Kultgeschehens in diesem Millionenjahrhaus war demzufolge der Ka des Kö-
nigs, in dem ich - in Unterscheidung zum König als irdischer Person - die Verkörperung der
göttlichen Aspekte des Königs sehen möchte.2043 Der königliche Ka verknüpfte den König mit
der Welt der Götter; er ließ ihn teilhaben am Wesen des Schöpfergottes. Erschaffen zusam-
men mit der irdischen Gestalt des Königs im Zuge der Zeugung des nächsten Königs durch
Amun-Re, wurde durch ihn das von den Göttern legitimierte und damit selbst als sakral aufge-
fasste Königtum - bzw. die Berechtigung dazu - von Herrscher zu Herrscher weitergereicht.
Sein Ka verband den regierenden König mit seinen Vorfahrenkönigen und letztlich mit seinen
Götterahnen.
Der königliche Ka als Kultempfänger ist fortan beständig in fast allen Millionenjahrhäusern
nachzuweisen. Häufig zeigen die Texte mit den Millionenjahrhaus-Belegen eine enge räumli-
che Verbindung mit genau den Stellen im Tempel, an denen auch der königliche Ka inschrift-
2041 Zum Nachvollzug der folgenden Darlegungen sei besonders auf die Resümees zu den einzelnen Millionen-
jahrhäusern am Ende der jeweiligen Referenzen in Teil 1 verwiesen.
2042 Die bisherigen Beiträge zu dieser Thematik stammen v.a. von G. Haeny und R. Stadelmann sowie zuletzt von
C.Leblanc: Haeny, Basilikale Anlagen, 15f, ders., Fonction religieuse, ders., „Häuser für Millionen Jahre",
ders., „Mortuary Temples", Stadelmann, Totentempel, Leblanc, Temples de „millions d'annees". Die Ergeb-
nisse der hier vorgelegten Untersuchung bestätigen im Wesentlichen den Ansatz von G. Haeny.
2043 Zum Ka des Königs siehe U. Schweitzer, Das Wesen des Ka im Diesseits und Jenseits der alten Ägypter, ÄF
19, 1956, insbes. 48ff. sowie Bell, Luxor Temple und ders., „Divine" Temple.
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