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II. DER VICUS

Beim Besprechen des Kastells hatten sich die Pe-
rioden I bis III aus spärlichen Befunden, insbeson-
dere aber aus dem Vergleich mit dem benachbarten
Kastell Künzing ergeben. Die Beobachtungen im
Vicus sind geeignet, diese Periodisierung zu über-
prüfen und zu präzisieren, da insbesondere im West-
und Nordostvicus durch die Sorgfalt J. Keims ge-
schlossene Keller- und Brunnenfunde vorhanden sind.
ImWestvicus überbauen deutlich größere Haus-
grundrisse des späteren 2.-3. Jahrhunderts (Periode
III) eine flavisch-traianische Schicht (Periode I), wäh-
rend die Zwischenzeit (Periode II) weniger deutlich
wird. Der Keller K2 unter der Mauer des Gebäu-
des 301 enthielt die Sigillatascherbe Drag. 18 Taf.
36,1 (Bodenstempel O FRONTI Taf. 41, 169). Das
östlich anschließende System von Pfostengräbchen2
dürfte mit zur flavischen Periode gehören und findet
Entsprechungen in Zugmantel und Richborough3.
Der Keller K7 erbrachte die Sigillatascherbe Drag.
18 Taf. 36,2 (Bodenstempel OF CEN Taf. 41,126)4.
Der Keller K 3 lieferte die traianisch-hadrianische
Bilderschüssel Taf. 10,6 (Inv. 316) zusammen mit
dem Schuppenpanzer Taf. 103,l5. In der Füllung des
Kellers K 8 kamen Scherben flavischer Zeit bis zur
1. Hälfte des 2. Jahrhunderts zum Vorschein6, so die
Sigillatascherben Drag. 33 Taf. 34,13 - (Inv. 1088)
und Taf. 34,13 — (Inv. 1098) sowie Drag. 36 Taf.
37,5 - (Inv. 1642). Es erscheinen in diesen Kellern,
deren Liste sich fortsetzen ließe, keine Funde, die
nachhadrianisch wären, was durch drei Münzen im
Keller K 6 des Nerva (Nr. 67 und 70) und des Traian
(Nr. 88) unterstrichen wird7. So zeichnet sich für die
Zeit Traian bis Hadrian ein Periodenwechsel ab, den
wir wohl für den Übergang von Periode I zu II in
Anspruch nehmen können.
Das Gebäude 30, über den genannten Keller K 2
der Periode I gebaut, lieferte Ziegelstempel der
III. Italischen Legion Taf. 140,27 und 140,27 - (Inv.
5415—16)8, gehört also der Zeit nach 178/79 n. Chr.
an9. Es ist, wie fast alle Vicusbauten, auf das Kastell
orientiert und gleicht in der Größe (16:23 Meter) und
im Grundriß einem häufigen Haustyp, der beispiels-
weise in Zugmantel, Kempten, Carnuntum und Bre-
genz vorkommt10. Auch das westlich anschließende
Haus 31, wie auch das vorhergehende sicherlich nicht
vollständig erhalten, ist ein größeres Wohnhaus; seine
Dreiteilung findet sich in Carnuntum11 ganz ent-
sprechend. Der Apsidenraum mit Hypokaustanlage
Nr. 244 (Abb. 3,1 )12 dürfte zu einem größeren Wohn-
haus gehören, dessen übrige Räume beim Kiesgruben-

abbau nicht festgehalten wurden; kleine Apsiden
dieser Art begegnen bei privaten und öffentlichen
Bauten. Insgesamt erwecken diese Steinbauten, insbe-
sondere das Haus 31 der Periode III, einen für ein
Lagerdorf recht stattlichen Eindruck - an eine vom
militärischen Kommando unabhängige Rechtsstellung
der Siedlung ist jedoch nicht zu denken.
Zu den eben beschriebenen Steinbauten Periode III
gehört zeitlich der Brunnen B 513, der die beiden spä-
ten Sigillatabodenstempel AVGVSTA F Taf. 36,21 -
(Taf. 40,66) und VICTORINVS F Taf. 35,17 -
(Inv. 1607) enthielt. Auch aus dem Brunnen B 913a
kam außer der flavischen Scherbe Drag. 37 Taf. 2,20-
(Inv. 27) spätere Rheinzabernsigillata zum Vor-
schein: Drag. 37 Taf. 29,2 — (Inv. 794, Art des Ce-
rialis II/III); Drag. 33 Taf. 35,2 - (3. Jahrhundert,
Inv. 1247); Drag. 32 Taf. 35,17 — (Stempel [FIDIJ-
ILISF, Taf. 41,163).
Diese Steinbauten und Brunnenfunde deuten auf
einen Bauhorizont, der nach Aussage der Ziegel-
stempel und Funde in die Zeit nach den Marko-
mannenkriegen anzusetzen ist. Ein regelrechter Zer-
störungshorizont anläßlich der Markomannenkriege
ließ sich in Straubing ähnlich wie in Künzing14 bisher
nicht fassen, indessen sprechen diese umfangreichen
Neubauten bei vermutlich gleicher Garnison15 für ge-
1 Jb. 41, 1938, 14. Auf Planbeilage 2 sind die Bezifferungen
der Keller, Brunnen, Häuser usw. im Gegensatz zu den Gra-
bungsschnitten kursiv gesetzt. Ließen sich Keller, Brunnen oder
Gruben nicht mehr genau lokalisieren, steht statt des Grund-
risses die kursive Bezeichnung K, B oder G.
2 Vgl. Planbeilage 2.
3 Saalburg-Jahrb. 10,1951, Plan Beilage 1, D6; Richborough
IV Taf. 46.
4 Keim IV, 119f.
5 Jb. 52, 1949, 57.
6 Jb. 54, 1951, 13; Keim IV, 166.
7 Keim IV, 112 f.
s Jb. 40, 1937, 13.
9 Die Gründung der Legion erfolgte um 166 n. Chr., in Re-
gensburg ist sie ab 178/9 n. Chr. vgl. E. Stein, Die kaiserzeit-
lichen Beamten und Truppenkörper im römischen Deutschland
unter dem Prinzipat (1932) 113.
1° Saalburg-Jahrb. 10, 1951, Beilage 1 Nr. 343; Cambodu-
numforsch. I, Planbeilage Haus 1954; E. Swoboda, Carnuntum.
Röm. Forsch, in Niederösterreich l2 (1953) Abb. 8 (Haus I);
F. Oelmann, Gallo-römische Straßensiedlungen und Kleinhaus-
bauten. Bonner Jahrb. 128, 1923, 84 Abb. 5 d. f.
11 Swoboda a. a.O. Abb. 7 östlich IV.
12 Vgl. Bayer. Vorgeschichtsbl. 22, 1957, 229 f.
13 Jb. 53, 1950, 13.
13a Jb. 54, 1951, 13.
14 H. Schönberger, Bayer. Vorgeschichtsbl. 24, 1959, 135.
15 Die Ziegelstempel der III. Italischen Legion dürften keine
Anwesenheit dieser Truppe in Straubing postulieren, vielmehr
ist es wahrscheinlicher, daß die Canathenerkohorte weiter in
Straubing verblieb.

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