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Das römische Straubing
und der ostraetisch-westnorische Abschnitt des Donaulimes

Die Errichtung des Auxiliarlagers Straubing ge-
schah im Bereich einer Spätlatene-Siedlung1, die mit
großer Wahrscheinlichkeit die besiedelte Innenfläche
eines Oppidums darstellt2. Trifft diese Vermutung
zu, so dürfte sich für die Latenezeit die Kristallisation
wirtschaftlicher und politischer Macht anzeigen3, die
sich aus der reichen und dichten Besiedlung des »Gäu-
bodens« zwischen Regensburg und Vilshofen für
diese ebenso wie die anderen vorgeschichtlichen Pe-
rioden ablesen läßt4 und die zumindest zeitweise dem
Nord-Süd-Handel verpflichtet war5. Von Böhmen
aus überquert ein Handelsweg bei Furth im Wald
den Böhmerwald und gabelt sich dann, einmal im
Bodenwöhrer Tal weiter nach Westen laufend, zum
anderen nach Süden den Bayerischen Wald querend
und mit der Kinsach unmittelbar nördlich Straubing
zur Donau stoßend, vom vorgeschichtlichen Ringwall
auf dem Bogenberg flankiert6. Die Bedeutung dieses
Weges veranschaulicht in der Spätlatenezeit die Vier-
eckschanze von Nößwartling unweit Furth im Wald7,
während die Bedeutung des Überganges über den
Bayerischen Wald schon im Jungneolithikum offen-
sichtlich ist8. Ein Zeugnis für den Donauübergang
etwas unterhalb der heutigen Donaubrücke Strau-
bings könnte der Legionärshelm vom Schanzl sein,
falls die Rekonstruktion der Fundumstände durch
Reinecke zutrifft9; natürlich reicht dieser Flußfund,
der zu einem Typ gehört, welcher zumeist frühkaiser-
zeitlich, im Einzelfalle aber auch spätlatenezeitlich
oder ins spätere 1. Jahrhundert datieren mag, nicht
aus, etwa die Anwesenheit römischer Truppen der
Okkupationszeit zu beweisen.
Soweit sich bisher urteilen läßt, gleicht das Oppi-
dum Straubing nach Lage im Donautal auf der Nie-
derterrasse, an den ehemaligen Donaulauf10 und ein
Seitenflüßchen angelehnt, derjenigen des weit größe-
ren Oppidums von Manching11, wo ebenfalls ein
Nord-Süd-Handelsweg die Ost-West-Verbindung
kreuzt12. Als Bewohner kommen am ehesten die von
Strabo bezeugten Rucinaten, ein Teilstamm der Vin-
deliker, in Betracht13.

Die Gründung des Straubinger Kastells erfolgte,
wie die Untersuchung der Funde, insbesondere der
Terra Sigillata14 ergeben hat, wenig später als die
Rottweils etwa 76 n. Chr. in der Regierungszeit Vespa-
sians. Das Enddatum des keltischen Oppidums ist ab-
hängig davon, wie man das Ende des neu ergrabenen
Oppidums Manching beurteilt. Die Diskussion hier-
über führte zuerst von der alten Reinecke’schen An-
nahme eines Endes anläßlich der Okkupation 15 v. Chr.
hinweg zu einem späteren Termin, leitete aber jetzt
wieder zur ersten Datierung zurück oder gar zur An-
nahme eines früheren Termines, der mit der Okku-
pation in keinem Zusammenhang steht15. Für Strau-

1 Jb. 31, 1928, 21 f.; 32, 1929, 18 f.; Bayer.Vorgeschichtsbl.
10, 1931, 83 f.; Bayer.Vorgeschichtsbl. 24, 1959, 237f.
2 P. Reinecke, Zur ältesten Geschichte Straubings. Jb. 20,1917,
12 f.; P. Reinecke, Spätkeltische Oppida im rechtsrheinischen
Bayern. Bayer.Vorgeschichtsfr. 9, 1930, 47 f.
3 J. Werner, Die Welt als Geschichte 5, 1939, 380 f.
4 K. Brunnacker u. G. Kossack, Ein Beitrag zur vorrömischen
Besiedlungsgeschichte des niederbayerischen Gäubodens. Arch.
Geogr. 5/6, 1956/7, 43 f.; vgl. auch H. J. Hundt, Die Funde der
Glockenbecherkultur und der Straubinger Kultur. Katalog
Straubing I. Materialhefte zur Bayer.Vorgeschichte 11 (1958).
5 Reinecke, Jb.20, 1917, 12; Keim, Bayer.Vorgeschichtsbl. 10,
1931, 83 f.; H.J. Hundt, Eine neue jungneolithische Gruppe im
östlichen Bayern (Chamer Gruppe). Germania 29, 1951, 5 f.
6 H. J. Hundt, Die Wallanlagen auf dem Bogenberg im
Lichte neuerer Forschung. Jb. 53, 1950, 16 f.; H.J.Hundt, Der
Bogenberg bei Bogen (Niederbayern) in vor- und frühgeschicht-
licher Zeit. Bayer.Vorgeschichtsbl. 21, 1956, 31 f.
7 K. Schwarz, Atlas der spätkeltischen Viereckschanzen Bay-
erns (1959) Nr. 79.
8 H. J. Hundt, Chamer Gruppe a. a. O. 5 f.
? P. Reinecke, Ein frühkaiserzeitlicher Bronzehelm aus der
Donau bei Straubing. Germania 29, 1951, 37 f.
1° P. Reinecke, Jb. 20, 1917, 14; J. Keim, Jb. 59, 1956, 25.
11 P.Reinecke, Sammelbl.Hist. Ver. Ingolstadt 59, 1950, 3 f.;
W. Krämer, Zu den Ausgrabungen in dem keltischen Oppidum
von Manching 1955. Germania 35, 1957, 32 f.
12 W. Krämer a.a.O. 33.
13 R. Heuberger, Rätien im Altertum und Frühmittelalter.
Schlernschriften 20, 1932, 13; P. Reinecke, Bayer.Vorgeschichtsfr.
6, 1926, 38.
14 Siehe oben S. 28 f.
15 Im Gegensatz zu P. Reinecke, Sammelbl. Hist. Ver. Ingol-
stadt 59, 1950, 31 f.: W. Krämer, Germania 35, 1957, 42 und
G. Ulbert, Zum claudischen Kastell Oberstimm (Lkrs. Ingol-

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