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gerissen und spricht in der strömenden, breiten Vortragsweise, den kemigen Figuren die
Art Wolgemuts vielleicht entschiedener aus als die matten Gestalten des Titelblattes der
Reformation der Stadt Niimberg.

Mit dem Illustrator des Heiligenlebens (Taf. 80) hatte Koberger einen guten Griff getan.
Der aus Ulm kommende Reißer, den einige mit dem der Lirarchronik (1485) und des
Terenz (1486, Taf. 79) gleichsetzen, belebte das Schaffen ungemein. Es ist leider noch
nicht überzeugend gelungen, sein Werk scharf zu umreißen. Eine Reihe kecker Entwürfe
gegen Ende des reich bebilderten Buches führen vielleicht über ihn hinaus, durch andere
werden nümbergische Züge (im Baumschlag, Figurenzeichnung) dem fast rein ulmisch
wirkenden Stil eingeschmolzen. Man kann deutlich verfolgen, wie sich die feine ulmische
Art zu der spröderen, doch auch unternehmenderen, realistischeren der kommenden
Nümberger Illustration entwickelt132.

Unmittelbar darauf bricht sich das kecke Nümberger Temperament in kleineren Ver-
öffentlichungen Bahn. Von 1489 ist das Horologium (24 Bilder, Schramm XVIII 297 ff.),
das in den Einzelheiten mit einem zeichnerischen Unternehmungsgeist gerissen ist, der
wohl alle anderen Bücher übertrifft (Taf. 84 unten). Undatiert, doch in dasselbe oder ins vor-
hergehende Jahr zu setzen, ist Nikolaus von der Fliihes Bmder Claus (10 Bilder, Schramm
600 ff.), das noch eine Spur zarter geschnitten ist (Taf. 84 oben). Die Figuren bewegen sich
mit der anmutigen Leichtigkeit der Ulmer und der von ihnen beeinflußten im Heiligenleben,
sind aber dank ihrer eingehenden Durchzeichnung und Modellierung mehr frischen Feder-
zeichnungen ähnlich und wirken rundlicher. Als Urheber kornmt für beide und auch für
den Würzburger Rosenkranz Mariä (Schramm XVI; Stadler S. 68) Wolgemut in Betracht.
Sein Name ist seltener als der des jungen Dürer vorgeschlagen worden, dessen Mitarbeit in
fast allen genannten und noch zu nennenden Büchem, einschließlich des Heiligenlebens,
bald hier bald dort, vermutet worden ist. Das Material ist jedoch auch unter Einschluß der
anderen Werke aus denselben Jahren zu wenig einheitlich und, gemessen am Heihgen-
leben, zu spärlich, um vor der Abgrenzung des Schaffens des fiihrenden Meisters im
Heiligenleben eine Lösung zu ermöglichen — ein Untemehmen, das keineswegs aussichts-

132 Wie ein Fremdkörper nimmt sich im Heiligenleben der hl. Michael (Schramm XVII 184), ein großer
quadratischer Holzschnitt, aus, der durdi Stil und Format im Gegensatz zu allen anderen Breitbildem
von gleichen Ausmaßen steht. Es scheint sich um eine Arbeit Wolgemuts zu handeln, die abgesehen von
ihrem bemerkenswert friihen Entstehungsdatum auch durch die Beziehungen zum Hofer Altar wichtig zu
werden verspricht. Stützt sie doch die Ansidit, daß Wolgemut, der um 1470 zunächst als Gehilfe in einer
Miinchener Werkstatt auftaucht, vorher in der Pleydenwurffwerkstatt in Nümberg und, wie wiederholt
vermutet worden ist, am Hofer Altar mitgearbeitet hat. Trotz der zügigeren, schwungvolleren Bewegung
ist die Identität der Formauffassung im Michael des Hofer Altars auffallend. Man vergleiche a) die wie
Röhren gebildeten Falten vom Gürtel abwärts im Holzschnitt, die sich in den horizontal gélagerten Falten
an dem dunklen Mantel des Gemäldes wiederholen, b) die Falten am gehobenen rediten Arm, c) das in
großen runden Schwüngen nadhwehende Gewandstück des Mantels.

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