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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 3): Stauferzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15265#0046

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1. eine alte Formel (mit oder ohne Zusatz) zu sein scheint, die - und das mag metho-
dischen Einwänden betreffs Differenzierung der Verfasserschaft etc. begegnen -
als solche am geeigneten Ort mit gleichbleibendem Sinngehalt verwendet wird.

2. Es scheint erwiesen, daß dieser Sinngehalt über den rein rechtlichen, ja dinglichen
Bereich hinausweist, daß der ,honor regis' etc. eben, wie Grundmann seinerzeit
schon ausführte, nicht ein juristisches Konkretum meint - jedenfalls nicht in unse-
rem Zusammenhang -, sondern über den Bereich der ,lex' in den des ,sacramen-
tum' hinausgreift.

Damit glauben wir aber, der mittelalterlichen Vorstellung um einiges näher gekom-
men zu sein.

Unsere Betrachrungen wären aber unvollständig, wenn wir die bereits angedeuteten
Linien nicht nach oben wirklich ausziehen würden - mit einem überraschenden Ergeb-
nis - wie ich meine.

VI.

,Honor' ist neben ,gloria' die häufigste Wiedergabe der griechischen Begriffe ,66^a'
und ,t1ht)'106 - diese wiederum stehen als häufigste Wiedergabe des hebräischen ,kab6d'
in der Septuaginta107.

Letzteres - eigentlich Gewichtigkeit, das, was gewichtig macht - ist die Erscheinung
Jahwes, sein Glanz, seine Macht, letztlich seine Wesenheit als Erscheinung und insoweit
seine Herrlichkeit als Emanation seiner Heiligkeit106. ,Kaböd' ist also hier als Gottesaussa-
ge eindeutig sakral gebraucht. ,Kab6d' ist aber auch die ,Ehre' des Menschen als ,imago
Dei', von Gott ihm zugeteilt, insbesondere auch dem König109, der, wie wir wissen, seit je
in besonderer Weise ,imago Dei' ist.

Letztere Vorstellung findet sich vor allem bei dem orientalisch beeinflußten Prophe-
ten Daniel110, aber auch im rabbinischen Judenrum, z. B. als ,Ehre' des Caesarenhauses"'.
Bei Beraköt kann Gott denen, die ihn fürchten, oder eben den Königen, Teil an seiner
,kaböd' geben112. Nun ist aber ,kabod' = Ehre hier in keinem Fall ethisch-sittlich zu ver-
stehen - wie der heute vorherrschende Wortgebrauch im Neuhochdeutschen -, sondern
eindeutig als Numinosum. ,66^a', das allein mit 180-facher Übersetzung von ,kaböd'113 in
der Septuaginta den Großteil der Wiedergaben stellt, tritt neben ,xt(XTi' oft auch verbun-
den mit \oxvq,' = Stärke, ,xaßis' = Gnade und ,ßaoiXeta' = (Königs-)Herrschaft, auf".

Auch für ,66|a' gilt, daß Gott, der Herr, der ,66i;a', sie auf Menschen, insbesondere
auf Könige legt. Bei Daniel hat Gott dem Nebukadnezar ,ßaoiXEia', ,'ioxijc/, rtw' und
,66^a' gegeben. Der König hat einen ,6o6vog 66i;Tic/ auf dem er ,ev ö6S;T|' sitzt und einen
»oxeqpavog 66^115' oder ein ,öiuSrpa 66|ri5' trägt. ,66|a' ist auch der königliche Ruhm, die
Herrlichkeit des Judas Makkabäus115. Es gibt aber nicht nur eine ,6ö|a ßaailEcoc/ im Alten
Testament, sondern auch eine ,ö6^a ßaaiXeCac,'. Sie ist die sichtbare, an den königlichen
Zeichen erkennbare Königsmacht116. Auch im Neuen Testament117, wenngleich weniger
häufig, finden sich für uns wesentliche Belege. In 1. Petr 2,17: ,ehret den König'118 und je-
nem indirekten Beweis in Apk. 4,11, wo Gott allein das ,Tris-hagios' zuerkannt wird als
Antithese gegen die von Domitian auf Grund alter hellenistischer Götter- und Königsti-
tel offiziell eingeführte Titulatur ,Dominus et Deus noster' und die damit verbundene
Vergottung11'.

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Gerade aber diese Bezeichnung ,Dominus', auf griechisch ,xüqioc/, weist auf die alt-
bekannte Verbindung ,xi)Qioc, ßuoiXEiic/ hin, in der ,xi)Qioc/ ,ein uraltes Prädikat der Hof-
sprache des Ostens' ist, das ,eine kultische Seele' hat und zu dessen ,Hofstaat' erwiese-
nermaßen auch Begriffe wie ,Ei;Owta', ,xq&xoc,', \oxvc,', ,5wu|j.i5', ,[XEYaXEi6iT|c;', ,öö^a',
Mm', /X^ö1^'/ /^QEiri', ,cucüvioc/ und andere gehören120. Besonders ,X&ßis' und ,56|a'121,
letzteres mit dem Akzent des Glanzes bis hin zum Nimbus und zur Mandorla, gehören
zu den im hellenistischen und später im römischen Bereich (über den ja in ähnlichem
Zusammenhang, wie gesagt, H. Wolfram kürzlich gehandelt hat122) vorhandenen Vor-
stellungen über den Herrscherkult. Es bleibt mit Nachdruck festzuhalten, daß eben auch
der aus der ,ö6^a' abgeleitete ,honor regis' hierher gehört.

Es bleibt weiter noch zu erwähnen am Ende der hebräischen123 und hellenistisch-rö-
mischen, letztlich orientalischen ,Ahnenreihe', daß auch bei den apostolischen Vätern124
,tl|ir|' und ,öo^a' mit der gottgewirkten Stellung des Herrschers gleichgesetzt werden125.

VII.

Wenn wir nach den bisherigen Betrachtungen das Ergebnis zusammenfassen, so kön-
nen wir, glaube ich, festhalten, daß der Begriff ,honor imperii' (,regni' etc.) eine lange Ge-
schichte hat126, die nicht erst im Mittelalter beginnt, sondern weit in die Antike
zurückreicht, wohl letztlich auf uraltes Gedankengut des Orients zurückgeht. Dabei
dürfte die Quelle des Mittelalters wohl am ehesten aus der Bibel (und spätrömischen
Vorstellungen) gespeist werden, wie ja jene zentralste Belegstelle auf der Davidsplatte
der Kaiserkrone127 des 10. Jahrhunderts zeigt.

Wir glauben aber auch, die - mit großer Wahrscheinlichkeit - über den Bereich des
reinen Rechts, der ,lex', hinausführende Bedeutungsmöglichkeit von ,honor' sichtbar ge-
macht zu haben.

Von da werden auch die angeführten Wortverbindungen sinnvoll: Der ,honor regis'
(,imperatoris') und damit der ,honor regni' (,imperii') gehört zum ,regale sacramen-
tum'128, er bezeichnet geradezu eine Qualität desselben.

Unsere begriffsgeschichtlichen Betrachtungen wären aber nicht in sich abgerundet,
würden wir nicht noch den Blick auf das Mittelhochdeutsche richten: Da gibt es nämlich
u. a. an fast klassischer Stelle die Übersetzung und Interpretation des ,honor imperii' in
staufischer Zeit.

Walther von der Vogelweide spricht nämlich in seinem wohl ältesten Sang im Reichs-
ton aus dem Jahre 119812' von der ,tiuschiu zunge', deren ,ere also zergät'. In diesem
berühmten Sang Walthers, in dem er bitter über den Niedergang des Reichs und den
Übermut der kleinen Könige klagt, meint er mit ,ere' nichts anderes - das ergibt der Kon-
text - als den ,honor imperii'130. Auch nach diesem Zeugnis stand beim ,honor imperii'
aber nicht (bei einem staufischen Zeitgenossen, der der Zeit des Konstanzer Vertrags
nicht allzu ferne steht, besonders interessant) die Rechtsbedeutung oder eine der ande-
ren, von Schäfer u. a. herausgestrichenen dinglichen Bedeutungen im Vordergrund,
denn auch bei ,ere', das ja insonderheit auch von Gottes und des Reiches ,ere' belegt ist,
ist, wie die Germanisten bestätigen'31, eine in die Sphäre des Religiösen und Sakralen hin-
einragende Bedeutung vorhanden, die vielleicht sogar die ursprüngliche ist.

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