Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
X w 1F W 1ÜT II W 1r W ij y t' 1




Opferszene1 aus dem Grabe des Nacht —J}
Scheck abd el Gurna Nr. 52. ©
Querraum rechte Seitenwand.

Zeit: Thutmosis IV.
(um 1415 v. Clrr. G.).
Malerei auf Stuck.

Zur Zeit des alten Reiches lag an der geschütztesten Stelle des Grabbaus eine kleine
Kammer, der Serdab, in der eine oder mehrere Porträtstatuen des Verstorbenen aufgestellt
waren. Sie dienten dem überlebenden Teil des Bestatteten neben dem Leichnam zum Wohn-
sitz, zu dem er von seinen Ausflügen in die Menschenwelt immer wieder zurückkehrte. Um

ihm das Ein- und Ausgehen zu ermöglichen, war der Serdab durch eine ganz schmale Spalte
mit dem Kultraum verbunden, um diese Wand der Opfejkammer sinnfälliger als Eingang in
den Serdab zu bezeichnen, hat man ihr bald die Form des Tores gegeben. Die Opfer wurden
vor der Öffnung in den Serdab dargebracht, damit das überlebende Teil des Toten bequem
dazu gelangen konnte.
Veränderungen in den Anschauungen vom Totenwesen ließen erst die Türöffnung über-
flüssig erscheinen, später fiel die Einrichtung des Serdab fort, und schließlich schien auch
das materielle Opfer zur Erhaltung des Toten nicht mehr nötig zu sein. An die Stelle
der nüchternen materialistischen Anschauungen, denen diese Einrichtungen ihr Dasein ver-
dankten, trat eine wunderliche Mystik, der Glaube an Spruchzauber. Man stellte im Bilde
dar, was man dem Toten anzutun wünschte und vertraute der Zauberkraft des Wortes,
daß sich alles in Wirklichkeit verwandeln werde, sobald es das überlebende Teil des Toten
nur wollte.

Sobald der Serdab nicht mehr existierte, konnte eine solche Scheintür auch anderswo im
Grabe ihre Stelle finden; man hat auch bald nicht mehr eine ganze Wand zur Scheintür aus-
gehauen, sondern statt dessen einer Wand nur eine Stele2 eingefügt. In ausgemalten Gräbern

hat man schließlich auch die Stele nur aufgemalt.
So ist es auch im Grabe des Nacht geschehen. In der Mitte
des Hintergrundes steht die Grabstele in der Form einer Scheintüre2 auf
einem niedrigen Sockel. Unter der üblichen Krönung umschließt eine
doppelte genischte Umrahmung die Eingangsöffnung, die von ebenfalls
genischten Pfeilern und einem breiten Architrave eingefaßt ist. Über dem
Architrav liegt ein vertieft zu denkendes etwa quadratisches Feld.
Unter dem Architrav ist zwischen die Leibungen der Pfosten eine
Türtrommel eingesetzt.
Alle Flächen sind mit Sprüchen bedeckt, die mit dem Namen
des Verstorbenen endigen, auf dem quadratischen Felde aber ist
Nacht mit seiner Gemahlin vor einem Tisch voller Speisen sitzend
dargestellt, damit ist seine Gegenwart bei den Opfern verbürgt, denn
so gut wie die Opfernden und ihre Gaben auf den Zauberspruch sich
materialisieren, so gut wird es mit ihm und seiner Gattin auch der Fall
sein. Darunter, auf dem Architrav selbst, sind 2 Augen aufgemalt
gewesen, ein Atavismus aus der Zeit, da hinter der Scheintür noch


der Serdab lag und der Tote mit den Augen der Statue auf die Opfer und ihre Spender
hinausblickte.

Vor der Stele ist eine große Matte über die Erde gebreitet, auf ihr liegen in malerischem
Durcheinander runde und ovale Brote, Körbe mit Weintrauben und anderen Früchten, Fleisch-

stücke verschiedener Art, ein Kalbskopf, ein Rippenstück, eine Keule, Geflügel, eine Gurke,
Zwiebeln oder Lauch in Bündeln und ein flacher Korb mit Perseafeigen. Dazwischen sind


Blumensträuße und besonders schöne Trauben anmutig
verstreut.
Vor der Matte, der Stele gegenüber, stehen zwei Frauen
in einfacher archaischer Gewandung. Auf dem schlicht herab-
fallenden Haar tragen sie einen sonderbaren Schmuck, nämlich
eine kleine Sykomore mit reifen Früchten.
Die Sykomore ist ein mehreren Göttinnen heiliger Baum,
besonders häufig finden sich Darstellungen3 der Göttinnen Nut
und Hathor, wie sie in ihrer Eigenschaft als Schützerinnen

gewisser Nekropolen den Seelen der Toten aus den Kronen der Bäume heraus Speise und

1 Maspero Mem. Miss. V 3, 469 flge. Taf. 1.

2 Kairo Cat. Gen. 34047.

3 Berlin Inv. 7291

Trank bieten. — Wie diese hilfreichen Göttinnen, vielleicht gar als ihre Verkörperungen im
Rahmen einer Zeremonie, nahen die beiden Frauen dem toten Nacht und bringen ihm Brot,
Früchte, ein Bündel Gemüse und einen Trunk, dazu eine lange Rebe mit herrlichen Trauben
und einen Strauß Papyrusblumen. Ihnen folgen Diener mit leichten Tischchen voller Früchte,
von denen die Feigen ihrer charakteristischen Form halber erkennbar sind; der auf der rechten
Seite bringt außerdem Granatäpfel an einer langen Schnur, der links ein ganzes Bündel Wein-
trauben, alles mit Blumen bedeckt.
Sechs andere Diener knien neben der Matte. Der im Hintergründe links bringt der In-
schrift nach „die Mahlzeit“, Brote, 2 Körbe mit Früchten, ein Bündel Lauch,
eine Rebe mit Trauben und Papyrusblumen; der zweite bringt Wasser in Näpfen4,
der dritte Salbe5 in einem Topf und grüne und schwarze Schminke
in kleinen Beuteln, sowie einige Blumen; der im Hintergründe rechts
kauernde bietet Bier in einem Kruge6 dar, sein Nachbar zwei
Schalen Wein, der letzte schließlich Binden und Gewänder; die Zeich-
nung ist hier unvollendet geblieben.
Das ganze Gemälde steht in einem Rahmen, der die Herkunft
aus der alten Wandbekleidung durch Teppiche noch deutlich bewahrt
hat: oben schließen geknüpfte Fransen ab, die Seiten weisen die
Stab- und Kettenmuster der Teppichränder auf.

fc


4 Kairo Guide 3756.

5 Kairo Cat. Gen. 43510.

Kairo Cat. Gen. 3429 aus Kupfer, a. R.

Wreszinski, Atlas zur altäg. Kulturgesch. Tafel 52 (a)

52(b)

52 (c;
 
Annotationen