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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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Stuhlfauth, Georg: Über die Grenzen zwischen Malerei und Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0079
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BEMERKUNGEN. 75

— gemeint ist Schwarz-Weißkunst: Photographie, Graphik u. dgl. -r- »und farblose
Plastik, andererseits Farbenmalerei und farbige Plastik zueinander in Parallele stellen
und miteinander vergleichen. Fragen wir von diesem Standpunkt aus: was ist das
charakteristische Unterscheidungsmerkmal bei beiden Vergleichungspaaren? Dasselbe
muß offenbar in der Natur der Darstellungsmittel selbst, d. h. in der Natur der Mittel,
durch welche beide Kunstarten den Eindruck der natürlichen Formen wiederzugeben
vermögen, begründet sein. Diese aber bestehen in der Art der Erzeugung der
Licht- und Schattenwirkung, insofern erst durch deren Vermittelung die plastische
Form der Körper dem Auge überhaupt zur Wahrnehmung gelangt«. Und da nun
wird festgestellt: »Die Malerei hat Licht und Schatten in sich selbst,
die Plastik entlehnt es von außen.«

»In der ältesten Kunst gehen Malerei und Relief freilich noch Hand in Hand.
Die Unterschiede treten noch nicht scharf hervor. Das volle Verständnis für die
charakteristischen Darstellungsmittel beider Kunstarten entwickelte sich erst allmählich.«
Als leitender Gesichtspunkt aber für den Entwicklungsgang des griechischen Reliefs
bis zur höchsten Blüte »drängt sich unabweisbar die Wahrnehmung auf, daß der
sukzessive Fortschritt hinsichtlich der Art der Flächenmodellierung in der immer
vollkommener werdenden Licht- und Schattenwirkung zum Ausdruck gelangt und
daß die treibende Kraft, welche diesen Fortschritt bewirkte, eben in dem Bestreben
zu suchen ist, die Flächen — sei es bei starker oder bei schwacher Erhebung —
reliefistisch so zu runden, daß möglichst schöne, mit der Wirklichkeit möglichst
übereinstimmende Licht- und Schattenabstufungen entstehen.

Von dem gewonnenen Standpunkt aus ergibt sich nun auch eine Antwort auf die
Frage nach den Grenzen, welche der Plastik im Gegensatz zur Malerei gesetzt sind.

Die Plastik hat kein Licht in sich selbst, sie borgt es von außen, sie ist der
Wirkung des natürlichen Lichtes auf das feste Material unterworfen. Daher sind
ihr alle diejenigen Motive verschlossen, bei welchen der ästhetische Reiz in der durch
Reflex und Transparenz bedingten eigenartigen Lichtwirkung besteht. Hierher gehört
z. B. der malerische Kontrast in der Wirkung der Oberflächentextur der verschiedenen
Stoffe auf das Auge: das Schimmern des Goldes... usw., vor allem aber die Gesamt-
heit der atmosphärischen Wirkungen des Lichtes: ... allgemein: das stimmung-
gebende Element der Szenerie. Die Plastik kann demgemäß die von ihr
dargestellten Handlungen nicht wie die Malerei in stimmungsvolle Szenerien ein-
Weiden ... Sie muß die Stimmung in die handelnden Personen konzentrieren und
sich bezüglich der erklärenden Szenerie, soweit es zum Verständnis notwendig er-
scheint, mit knappen Andeutungen begnügen, wenn sie anders nicht den Eindruck
des Trivialen, des Puppenstubenhaften hervorrufen will.

In der Malerei bedingt dagegen die Darstellung der Licht- und Luftstimmung
der Szenerie, der Seele der Landschaft, des dämmrigen Halbdunkels der Innenräume,
wie sie hauptsächlich die niederländische und die venezianische Schule ausgebildet
hat, gerade den Hauptreiz. Duftige Fernen, lichte Wolken, glühendes Abendrot,
lichtdurchzitterte Laubpartien, silberne Wellensäume usw. sind rein malerische Motive,
für die der Meißel keines Ausdrucks fähig ist.«

Hauck geht nach diesen grundlegenden Erörterungen zunächst auf den schillernden
Begriff »malerisch« in Auffassung und Behandlung beim Relief ein, erklärt und erläutert
dann die auffallende Tatsache, »daß sich unsere germanische Mythologie«, im Unter-
schied zur klassischen, »so überaus spröde für die Verbildlichung durch die Plastik
erweist«, »durch den eminent malerischen Geist, von dem dieselbe im Gegensatze
zu dem plastischen Charakter der griechischen Mythologie durchweht ist«, um, »nach
diesen Abschweifungen«, den geschichtlichen Faden wieder aufzugreifen und den
 
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