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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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Stuhlfauth, Georg: Über die Grenzen zwischen Malerei und Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0080
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76 BEMERKUNGEN.

Entwicklungsgang des Reliefs nach seinem Höhepunkt in der griechischen Kunst
bis an die Schwelle der Gegenwart zu überblicken. Er erinnert noch einmal daran,
»wie wir in dem Entwickelungsgang des griechischen Reliefs nur einen Fortschritt
von der ebenflächigen Konturenzeichnung zur plastischen Wirkung der Flächenwölbung,
dagegen kein Ausgehen auf malerische Wirkung wahrzunehmen vermögen«, und fährt
dann fort: »Erst die hellenistische Kunst wendet sich der Romantik zu und
überschreitet die Grenze. Erst sie überträgt namentlich die landschaftliche und architek-
tonische Inszenierung aus der Malerei ins Relief, wie wir dies z. B. am Telephos-Fries
des pergamenischen Altarbaues wahrnehmen. Die konsequente Entwickelung dieses
malerischen Prinzips erfolgte dann in den römischen Triumphalreliefs mit
ihren ausgedehnten, mehrfach geschichteten Inszenierungen, in denen sich jedoch
die figurale Formenschönheit, welche die griechische Kunst zu so hoher Vollendung
ausgebildet hatte, mehr und mehr verlor.

Die Renaissance knüpfte an das römische Triumphalrelief an. Die malerische
Inszenierung blieb. Aber innerhalb derselben erfolgte eine Wiedergeburt im Geiste
griechischer Formenschönheit. Lorenzo Ghiberti war es, der diese Tat voll-
brachte.

Die malerische Inszenierung erfuhr durch Ghiberti ihre Ausbildung zur letzten
Konsequenz. Die Erforschung des geometrischen Gesetzes der Perspektive bildete
damals die Tagesfrage. So darf es nicht überraschen, daß Ghiberti auch im Relief
die Szenerie nach perspektivischen Prinzipien behandelte ... Es liegt die überaus
interessante Tatsache vor, daß auch hinsichtlich der perspektivischen Formgebung
die Plastik die Lehrmeisterin ihrer jüngeren Schwester der Malerei gewesen, und es
ist nicht zu gewagt, die Hypothese aufzustellen, daß Ghiberti der eigentliche
Begründer der geometrischen Perspektive war.« Doch wird der hohe
Genuß, »den die geometrische Klarheit und Formvollendung der Ghibertischen
Werke gewährt«, durch ihre Licht- und Schattenwirkung gestört. Schon Lionardo
da Vinci hat auf diese fehlerhafte Schattenwirkung der Renaissancereliefs aufmerk-
sam gemacht.

»Eben die Fortführung des malerischen Reliefstils bis zur letzten Konsequenz
zeigt am augenfälligsten die Notwendigkeit der Einhaltung der natürlichen Grenzen
der Plastik, die dadurch bedingt sind, daß die Plastik nicht wie die Malerei das
Licht in sich selbst hat, sondern es von außen entlehnen muß.« Erst inThorwaldsen
erstand dem Relief ein Retter, »der mit der Rückkehr zu den Grundsätzen der
griechischen Plastik eine neue Blütezeit der Reliefkunst eröffnete. Er beseitigte end-
giltig die malerische Inszenierung und wurde hinsichtlich der figuralen Flächenmodel-
lierung der Begründer des modernen Reliefstils.«

Mit der Erörterung und Beantwortung der Frage, »worin der Fehler der seit-
herigen Behandlung der theoretischen Reliefistik lag und wie das Problem neu an-
gefaßt werden muß, um Aussicht auf erfolgreiche Lösung zu versprechen«, schließt
Hauck seine sachlichen Ausführungen.

Seither ist wohl, durch Adolf Hildebrand angeregt, manches zum Thema gesagt.
Das kann aber nicht die Tatsache verdunkeln, daß Guido Hauck es ist, der als
erster die von Lessing gelassene Lücke erkannt und das Problem des Verhältnisses
zwischen Malerei und Plastik beziehungsweise die Gesetze des Reliefs grundlegend
aufgehellt hat.
 
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