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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0190
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186 BESPRECHUNGEN.

Haus in Teile zerfallend«, alle Fronten mit Fenstern durchbrochen, der Neugierde
zu dienen (S. 70). Die Klage, es lohne sich kaum mehr Städtebaukunst zu treiben,
weil das Gemeinwesen in der modern-nordischen Stadt ganz aufs Leben im Haus
zugeschnitten wird (S. 70), ist doch zu weitgehend. Auch damit ist zu viel gesagt,
wenn dem Architekten vor allem die Aufgabe zugeschrieben wird, die auseinander-
fallende Kultur zusammenzufassen (S. 28). Vom Übermaß der Einseitigkeit befreit
enthält die Auffassung eine bedeutsame Erkenntnis, die Fischer davor warnen läßt,
sich ins geschmackliche Ästhetentum zu verlieren. Die Zeugnisse der Stadtpläne der
Vergangenheit lehren, daß »der soziale und kulturelle Stand jeweils die Form der
Stadt hervorbringt mit unausweichlicher Notwendigkeit« (S. 57). Und alle gute und
gesunde Form ist das Ergebnis und der Spiegel des Lebens (S. 70). Sein Diener
und Beauftragter ist der Architekt im vollen Umfang. Ihm gebührt die Führung
auch in den technischen Qestaltungsfragen (S. 28), die Regie im Zusammenspiel,
weil seine Tätigkeit Absicht und Endziel des ganzen Vorganges ist: die Befriedigung
des Wohnbedürfnisses. Man kann Fischer auch darin Recht geben, daß städtebau-
künstlerische Wirkungen ganz ohne Gartenkunst denkbar sind. »Die mittelalterliche
Stadt kennt kaum irgendeine Gartenentwicklung und die Renaissancestadt im eigent-
lichen auch nicht«, betont er. Ob aber die »Anlagen« für unsere moderne Stadt
unsertwegen nicht zur Lebensnotwendigkeit geworden sind?

Die Vorträge, es sei wiederholt, lesen sich gut und sind als solche sehr reich
an tiefer liegenden Erkenntnissen. Inzwischen ist (1922) schon die 2. Auflage er-
schienen.

München. Georg Schwaiger.

Eugen Lüthgen, Die abendländische Kunst des 15. Jahrhunderts. Bonn-Leipzig

1920. Kurt Schroeder, Verlag. S.S. IX u. 112 mit 68 Abb. auf 64 Tafeln.
Franz Landsberger, Die künstlerischen Probleme der Renaissance. Halle a. S.
Max Niemeyer Verlag. 1922. S.S. VIII u. 156 mit 102 Abb.

Seit dem Erscheinen von Wölfflins »Klassischer Kunst« ist neben die rein kunst-
geschichtliche Betrachtungsweise wieder die ästhetische nach großen Querschnitten
getreten, die in seinen »Grundbegriffen« eine nahezu ebenbürtige Fortsetzung für
das Zeitalter des Barock erhalten hat. Eine Anwendung der neueren kunstwissen-
schaftlichen Begriffsbildung auf die entwicklungsgeschichtliche Darstellung ist aber
bisher nur für einzelne Künstlerpersönlichkeiten oder enger begrenzte künstlerische
Aufgaben, wie das Porträt, die Landschaft und dgl. durchgeführt, in zusammen-
fassender Betrachtung hingegen erst neuerdings hier und da angebahnt worden.
Lüthgens Buch ist als ein ernsthafter und wertvoller Versuch zu begrüßen, die Kunst-
geschichtsschreibung in diesem Sinne zu vertiefen. Uns muß es hier deshalb vor
allem darauf ankommen, die Berechtigung seiner Fragestellung, wie er sie im ein-
leitenden I. Kapitel über die Grundlagen der »Formanschauung« entwickelt, einer-
seits an den allgemeinen Prinzipien der Kunstwissenschaft, anderseits im Hinblick
auf seine Ergebnisse nachzuprüfen.

Lüthgen will im Gegensatz zur bisherigen Forschung die abendländische Kunst-
entwicklung nicht als eine Vielheit mit einander nur durch Kulturbeziehungen und
Kunsteinflüsse verbundener, wurzelhaft geschiedener Kunstkreise begreifen, sondern
als eine durch den gleichmäßigen Rhythmus der Entwicklung bedingte »primäre«
Einheit. Erst unter dieser Voraussetzung ließe sich die durch alle gemeinsamen
Zeitstile hindurch sich gleichbleibende Eigenart der einzelnen Rassen und Völker
klar erfassen. Lüthgen fußt auf der durch Schmarsow auf der Kantischen Erkennt-
 
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