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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0208
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204 BESPRECHUNGEN.

deren Berücksichtigung bei Landsberger wenigstens im Literaturverzeichnis zum Aus-
druck kommt.

Auch Landsberger hat — ganz bewußt, wie das Vorwort und das Schlußwort
ausspricht — einen neuen Weg kunstwissenschaflicher Betrachtung eingeschlagen.
Er glaubte mit seinem Versuche »die ganze Interessenfülle« der Renaissance »in
ihrem zeitlichen Wandel und in ihrer räumlichen Scheidung« zusammenzufassen mit
Recht einem Bedürfnis der Wissenschaft zu genügen — trotz Wölfflins »Klassischer
Kunst«. Sein Ziel ist eben nicht, uns den ästhetischen Genuß der künstlerischen
Großtaten der Meister zu vermitteln, sondern aus der Theorie und den Kunstwerken
das geschichtliche Verständnis des allgemeinen Kunstwollens der Zeit zu erschließen.
Daher ist nicht nur das gesamte Quattrocento in seine Untersuchung einbezogen —
vielmehr werden die Keime der Entwicklung bis in das Mittelalter, ja bis zur An-
tike aufgesucht. Der Satz, daß sich schon das Trecento oder gar das Ducento zum
Teil die gleichen Aufgaben gestellt habe, ist ebenso berechtigt, wie die höhere Be-
wertung, die Landsberger wieder der anregenden Kraft der Antike für die Entfaltung
der neuen Kunst beimißt, wenn ich sie auch weniger der Nachahmung gewisser Bild-
motive, wie das Gartenstück, geschweige denn das Porträt (s. o.) oder der Technik
zuschreiben möchte als der vergleichenden Befragung der Denkmäler und, wie Lands-
berger selbst betont, der antiken Literatur. Die »künstlerischen Probleme« freilich
hat er nicht bis in die letzten Tiefen der schöpferischen Gestaltung geklärt. So wenig
wie die plastische Durchbildung der Menschengestalt ist der zeichnerische Ausdruck
der Erscheinung in seiner stetigen Vervollkommnung erforscht; das Wesen und die
Wandlung des Reliefstils erst recht nicht. Diese Aufgabe wird freilich die Kunst-
wissenschaft erst lösen können, wenn die psychologische Erkenntnis der Grundge-
setze des Kunstschaffens weiter fortgeschritten ist. Eine vortreffliche Grundlage, um
sie dann in Angriff zu nehmen, hat Landsberger mit der kritischen Sichtung der
Tatbestände geschaffen. Nur mit umfassender Kenntnis und verständnisvoller Durch-
dringung ließ sich der gewaltige Stoff in so klarer, auch den Nichtfachmann an-
sprechender Darstellung auf 145 Seiten zusammendrängen. Einer solchen Beherr-
schung der italienischen Kunst können sich heute nur wenige deutsche Universitäts-
lehrer rühmen.

Berlin, Juli 1921. O. Wulff.

Julius Meier-Graefe, Vincent. I.Band: 246 S.; II. Band: 24 S. und 103 Tafeln.
R. Piper & Co., Verlag, München.
Vincent van Gogh (warum hält sich Meier-Graefe bloß an den Vornamen wie
die Franzosen, denen die Aussprache des Familiennamens Schwierigkeiten bereitet)
ist uns wahrlich nicht fremd. Jedes Buch, ja jede ernste Veröffentlichung, die sich
mit der Kunst der Gegenwart beschäftigen, huldigen seinem Ruhme. Unzählige
Abbildungen verbreiten die Kenntnis seiner Gemälde und Zeichnungen; Abertausende
haben in seinen Briefen gelesen; die vornehmsten Museen hüten seine kostbaren
Originalwerke. Erscheint demnach diese zweibändige, monumentale Arbeit, wendet
sie sich an ein Kenner- und Liebhaberpubliktim, dem die gesamte Materie vertraut
ist. Man muß nicht mehr für van Gogh werben, seine entwicklungsgeschichtliche
Bedeutung dünkt im wesentlichen gesichert. Für »Entdeckungen« bleibt da wenig
Raum. Die van Gogh-Literatur strömt so üppig und ergiebig, daß ihre tatsächliche
und wertvolle Bereicherung schwer fällt. Trotzdem besteht die vorliegende Ver-
öffentlichung — man darf sagen: mit Auszeichnung — diese Probe: nach der illu-
strativen Seite hin durch Reproduktionen, deren technische Ausführung und Aus-
 
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