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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0276
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272 BESPRECHUNGEN.

Ideendynamik des Dichters als Formkräfte in seinem Werke und wie setzen sie sich
in Form um. 2. Wie wirkt das Verhältnis Ich und Welt als Beziehung der ideell-
subjektiven und der stofflich-objektiven Elemente zueinander im formalen Ausdruck
des Werkes. Das erste Problem ist die Frage der inneren Form, das zweite die
Frage der äußeren Form. — Für die innere Form zieht Ermatinger vor allem den
Begriff der seelischen Atmosphäre heran, und zwar unterscheidet er dabei wieder
die seelische Atmosphäre des vorwiegenden Gefühls, zweitens die des vorwiegenden
Intellekts, wobei z. B. das Komische abgehandelt wird, und drittens Tragik und
Humor. — Ferner kommt für die innere Form die »innere Motivierung« vor allem
in Betracht, die Ermatinger in geistvoller Weise der Perspektive in der bildenden
Kunst gleichsetzt. In der Lyrik z. B. ist der Rhythmus die innere Motivierung. Zum
Schluß wird dann die äußere Form oder der Stil behandelt und zwar getrennt zur
Lyrik, Epik und Dramatik. Die äußere Form ist einerseits eine Konvention, ander-
seits mitbedingt durch die besondere Situation beim Vortrag des Werkes.

Ich habe von dem reichen Inhalt des Werkes nur die Hauptlinien herausheben
können. Es gehört, wie mir scheint, zum Wertvollsten, was die neuere Litereratur-
forschung hervorgebracht hat. Es dringt wirklich in die Tiefe. Daß man im ein-
zelnen anderer Ansicht als der Verfasser sein kann, hebt den Wert solcher Unter-
suchungen nicht auf. Bei der schwer faßbaren Art der Begriffe Erlebnis, Form usw.
kann man z. B. schwanken, ob eine Bildung wie »Formerlebnis« wirklich sich emp-
fiehlt. Das was Ermatinger als Stofferlebnis, Gedankenerlebnis, Formerlebnis sondert,
bezeichne ich in meiner »Psychologie der Kunst« (3. Aufl. 1923) mit geringen Nu-
ancen als Erlebnis, Ausdruck und Gestaltung. Bei aller inneren Korrelation der Be-
griffe scheint es mir doch notwendig, die Formung in einen Gegensatz zum Erlebnis
zu bringen. Indessen sind es die praktischen Vorzüge, die über solche Begriffsab-
grenzungen entscheiden; denn der Schaffensvorgang selbst ist eine Einheit, an der
nur verschiedene Teilfunktionen mehr oder weniger hervortreten, die sich daher je
nach dem Standpunkt auch verschieden gliedern wird. Diese Einheit aber ist bei
Ermatinger trefflich herausgearbeitet. Ich empfehle das Werk als eine der besten
Arbeiten der neueren Literaturforschung.

Berlin-Halensee. Richard Müller-Freienfels.

Popp, Joseph, Die figurale Wandmalerei. Ihre Gesetze und Arten. S. VIII
und 144 mit XXXII Tafeln. Leipzig 1921, Klinkhardt und Biermann.
Popps Versuch (VIII) die Gesetze und Arten der figuralen Wandmalerei zu
erforschen, in erster Linie in sachlich-systematischer Form (S. 68, 69, 56), doch ohne
Ausschluß dessen, was den Kunsthistoriker interessiert (S. 69—74 und vieles einzelne),
ist ein inhaltsreiches Buch geworden, das studiert sein will. Methodisch ist es ge-
lenkig. Das tritt im Aufbau des Ganzen und in der Behandlung von Einzelfragen
hervor (das Wesen des Schmuckes [S. 1], das Dekorative [S. 10f.], das Monumentale
[S. 104ff.], das Wesen des Flächenbildes [S. 56 f.]). Die Untersuchung geht wirklich
nicht von einer vorgefaßten Theorie oder von einem vorgefaßten Begriff aus, sondern
wächst heraus aus der Befragung des Gegenstandes im logisch-ästhetischen Sinn,
sowie aus der Bearbeitung des kunstgeschichtlichen Stoffes. Die ästhetisch-systema-
tische Betrachtung hat dabei, wie gesagt, die Führung: ein Grund ist der, weil da-
durch reinere Ansichten und sicherere Maßstäbe gewonnen werden gegenüber den
Wertungen, die allzu sehr den Wirkungen unter bestimmten Bedingungen oder den
Bedingtheiten einer bestimmten Zeit unterstehen (S. 57). Mit logischer Bestimmtheit
und Klarheit werden die Probleme herausgestellt: das Problem einer dekorativen
 
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