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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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Gneiße, Karl: Bewegung als Merkmal des Schönen bei Schiller und bei neueren Ästhetikern
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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0364
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360 KARL GNEISSE.

Einschränkung vorschreibt, die das andere braucht, um seine Freiheit
zu äußern.« Hier ist auch von Harmonie der verschiedenen Bewegungen
die Rede, mit denen sich die einzelnen Teile der Landschaft unserem
Blick darstellen, gerade so wie in den Worten, mit denen Schmarsow
die Bedingungen des Wohlgefallens an einem Bauwerk bestimmt. Aber
wenn dieser die Eurhythmie als die eigentliche Quelle der Lust am
Schönen bezeichnet und darüber schweigt, wie sie möglich wird, ist
für Schiller die Freiheit der Bewegungen das ästhetisch Wirksame, und
ihre Harmonie ist nicht das Ziel, das der Künstler erstrebt, sondern
eine Nebenwirkung, die eintritt, wenn alle Gegenstände, die er in seinem
Gemälde darstellt, sich in voller Freiheit bewegen. Der Unterschied ist
bedeutsam für die Auffassung des Verhältnisses des Schönen zum
Erhabenen, worauf hier nicht eingegangen werden soll.

Wie Lipps, so ist Schmarsow wichtig als Zeuge für Schillers Be-
hauptung, daß Bewegung ein allgemeines Merkmal des Schönen sei,
und weiter für die von mir vertretene Ansicht, daß unter der an-
scheinenden Bewegung, die Schiller dem bewegungslosen Schönen
zuschreibt, nichts anderes zu verstehen sei als das Werden, in dem
die Gestalt des schönen Gegenstandes im ästhetischen Eindruck er-
scheint. Eine befriedigende Erklärung dieses Werdens gibt er ebenso-
wenig wie Lipps. Während dieser die Grundfrage der ästhetischen
Wahrnehmung vergebens durch seine Theorie der Einfühlung zu lösen
suchte, ist Schmarsow auf diese Grundfrage überhaupt nicht einge-
gangen. Sein Zurückgreifen auf die Bewegung des das Bauwerk
Schaffenden und des das Bauwerk Durchschreitenden vermag, wie wir
sehen, die anscheinende Bewegung des Kunstwerks nicht zu erklären.
 
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