Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

DOI Artikel:
Teuber, Eugen: Die Kunstphilosophie des Abbé Dubos
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0367
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE KUNSTPHILOSOPHIE DES ABBE DUBOS. 363

Philosophie aufgezeigt, wie sie sich im Rationalismus der französischen
Akademie offenbart und das ganze Kunstdenken des 17. Jahrhunderts
beherrscht. Dubos erscheint dann als einer der vielen Kämpfer gegen
den Zwang dieses Systems, und zweifellos ist damit ein wesentlicher
Punkt seiner Wirksamkeit getroffen. Aber dadurch, daß vorher die
ganze englische Ästhetik bis 1769 eingeschoben ist, wird er zu weit
von seinem Gegenpol fortgerückt und steht unmittelbar vor Diderot,
neben dessen Glanz er verblaßt. Zudem werden die Hauptpunkte
seines Werkes, ganz der willkürlichen Anordnung seines Autors fol-
gend, geschickt abgetastet, aber nicht recht zu einem einheitlich ge-
schlossenen Bilde geformt. So kommt Stein denn auch zu einem
etwas farblosen Urteil über Dubos. Er ist ihm einer von vielen,
wenn auch ein »eigentümlicher denkender Ästhetiker«. Sein Einfluß
auf die Schweizer (Breitinger) und auf die deutsche Ästhetik (Meier,
Lessing) wird mit kurzen Worten gestreift. — Weit mehr wird Wil-
helm Dilthey, übrigens der geistige Vater des vorigen Buches, der Be-
deutung Dubos' gerecht. In seinem Aufsatz über Lessing1) setzt er
mit genialem Griff auf drei kurzen Seiten eine äußerst reizvolle Charak-
teristik Dubos' hin, rühmt seinen »tiefen Kunstverstand«, streift seinen
persönlichen Werdegang, wirft interessante Lichter auf das typisch
Französische in seiner Denkweise. Aber natürlich lernen wir in diesem
Zusammenhang nur den kleinen Teil seiner Lehre kennen, durch den
er der Vorläufer Lessings geworden ist, seine Ansichten über die
Grenzen zwischen Malerei und Dichtung, ein Problem, das dann erst
im Laokoon zu so bedeutsamer Entwicklung gelangt2). Von einer
neuen, weit wichtigeren Seite zeigt ihn Dresdner in seiner »Entstehung
der Kunstkritik«3). Hier wird Dubos nicht von der Philosophie und
nicht von der Literatur her beleuchtet, sondern Dresdner hat in erster
Linie den praktischen Betrieb der bildenden Kunst vor Augen, und so
schildert er uns sein Einwirken auf das Kunstleben der Zeit, auf die
Entwicklung von Ausstellungswesen und Kunsthandel durch seine
Lehre vom Geschmack und sein Eintreten für Laienurteil und öffent-
liche Kritik. Gewiß ein bedeutender Teil seines Werkes, aber eben
doch nur wieder ein Teil, denn Dubos ist auch vorwiegend sprachlich
orientiert und für das französische Drama und die Oper ebenso wich-
tig. — Benedetto Croce geht in seiner Ästhetik4) gleichfalls mit einigen

') In: Wilhelm Dilthey, Das Erlebnis und die Dichtung, Leipzig 1905, S. 42 ff.
u. ö. (zuerst ersch. i. d. Preuß. Jahrb. v. 1867, I).

2) Unter ihrem speziellen Gesichtspunkt behandelt ihn übrigens die Lessing-
forschung schon seit längerer Zeit, so Danzel u. Guhrauer, S. 356, Grosse, Blümner
u. Erich Schmidt (Lessing I, S. 497 ff.).

3) Dresdner, Die Kunstkritik, I. Teil, München 1915, S. 129 ff.

4) B. Croce, »Ästhetik als Wissenschaft des Ausdrucks«, Leipzig 1905, S. 187 ff.
 
Annotationen