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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 17.1924

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Teuber, Eugen: Die Kunstphilosophie des Abbé Dubos
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https://doi.org/10.11588/diglit.3619#0414
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410 EUGEN TEUBER.

logische Unscharfe ist aber seine Schwäche und seine Stärke zugleich,
sie erlaubt ihm eine Vielseitigkeit der Betrachtungsweise, die ihm durch
seine vorgefaßten Prinzipien sonst verschlossen wäre. So hat er das
Vorhandensein der Funktionsgefühle beim Kunstgenuß richtig erkannt
und, wie Utitz in der eingangs erwähnten Untersuchung über dieses
Problem zeigt, zunächst einseitig in ihrer Erzeugung das Wesen der
Kunstwirkung gesehen. Andererseits aber liegt auch bei ihm schon
in nuce der moderne Standpunkt zu dieser Frage, daß die Funktions-
freuden nur eine untergeordnete Rolle im Kunstgenuß spielen können,
denn er stellt die Gefühlswirkungen des Kunstwerkes wiederum nicht
als starke Erschütterungen des Ich, sondern als »künstliche« Erregungen
dar, die an der Oberfläche der Seele bleiben, womit er sich also der
Lehre von den Scheingefühlen annähern würde. Ferner kennt er, wie
wir sahen, die Einfühlung von Bewegungen in Formen, und vor allem
steht bei ihm die Einfühlung von Affekten im Vordergrund, er bietet
also Vergleichspunkte zu der psychologisierenden Ästhetik eines Lipps.
Von älteren Anschauungen sei noch die Lehre vom assoziativen und
direkten Faktor erwähnt, der, wie wir oben besonders für die Dicht-
kunst gesehen haben, bei Dubos eine ganz ähnliche Trennung gegen-
übersteht. Vor allem aber ist Dubos heutigen Ansichten dadurch nahe,
daß er überhaupt Gefühle als die eigentlichen Objekte künstlerischer
Gestaltung erkennt, und daß er nach anfänglichen Irrwegen in die Pro-
bleme dieser Gestaltung einzudringen versucht hat. Durch seine Klima-
theorie hat er schon damals mit der Vorstellung einer geradlinigen
Entwicklung der Kunst gebrochen, wenn er auch noch physische
Ursachen und nicht, wie wir heute, ein verschiedenes Kunstwollen als
Grund für die Verschiedenheit der Kunstepochen ansieht. Ein genaueres
Eingehen auf solche Ähnlichkeiten würde eine Untersuchung für sich
erfordern. Es genügt uns hier, darauf hingewiesen zu haben, wie
jetzt überall in erneuter Form alte Probleme auftauchen, die unter der
Herrschaft der klassizistischen Ästhetik verschüttet lagen.
 
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