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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 1.1906

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Lipps, Theodor: Zur "ästhetischen Mechanik"
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https://doi.org/10.11588/diglit.3529#0033

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ZUR ÄSTHETISCHEN MECHANIK.

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rechts sich vollzog u. s. w. Auf diesem Wege entsteht die Ranken-
welle. Dieselbe ist nichts weniger als eine Wellenlinie mit daraus
herauswachsenden Spiralen. Es ist völlig widersinnig, aus der nach
ihrem eigenen inneren Gesetz entstehenden und verlaufenden Wellen-
bewegung Spiralen hervorgehen zu lassen. Auch jene Spiralen sind,
wie schon gesagt, in Wahrheit nicht Spiralen, sondern spiralenartige
Bewegungen, die der reinen Spiralform in ihrem Verlauf sich mehr und
mehr nähern.

Im vorstehenden habe ich einige einfache Linien in ihren Grund-
zügen »ästhetisch beschrieben«, d. h. ich habe die Kräfte, Tendenzen,
Tätigkeiten, Wirkungen und Gegenwirkungen angegeben, aus denen sie
sich frei oder mit innerer Notwendigkeit ergeben. Oder, was dasselbe
sagt, ich habe ein Stück »ästhetische Mechanik« getrieben. Aus dieser
ergibt sich zweierlei: Einmal das Verständnis des ästhetischen Ein-
drucks der Linien. Denn dieser Eindruck ist die Zusammenfassung
und Verdichtung des Gefühls dieser Kräfte, Tätigkeiten etc. Und es
ergibt sich daraus zugleich, unter welchen Bedingungen diese oder
jene Linie anwendbar ist, nämlich dann, wenn an der Stelle, wo sie
angebracht werden soll, der Gedanke an solche Kräfte, Tätigkeiten
u. s. w. Sinn hat. Formen, bei welchen diese Voraussetzung fehlt, sind
leer und damit an ihrer Stelle häßlich, mögen sie an sich oder an
anderer Stelle noch so sinnvoll und schön sein.
 
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