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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 1.1906

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Grosse, Ernst: Der Stil der japanischen Lackkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3529#0193

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DER STIL DER JAPANISCHEN LACKKUNST. 189

Die eigentlich nationale Zierkunst Japans ist die Lackkunst. Sie
ist zwar, gleich den anderen, aus fremdem Samen erwachsen, aber,
ungleich den anderen, hat sie sich im wesentlichen frei von fremden
Einflüssen entwickelt; denn die Japaner haben es in dieser Arbeit, die
ihrer Begabung offenbar ganz besonders entspricht, so frühe zur
Meisterschaft gebracht, daß sie von ihren Nachbarn nichts Erhebliches
mehr lernen konnten.

Die folgenden Ausführungen setzen bei dem Leser die anschau-
liche Kenntnis von einigen charakteristischen und guten Lacken voraus.
Leider ist diese in Europa nicht immer leicht zu haben. Die überall
verbreiteten Fabrikate der modernen Lackindustrie geben kaum eine
Ahnung von den Werken der Lackkunst; die Kunstwerke aber, die
man in den Museen sieht, zeigen zumeist nur das Mittelmaß der letzten
und schwächsten Periode. Wirkliche Meisterwerke aus der besten
Zeit sind in größerer Anzahl überhaupt nur zweimal öffentlich zur
Schau gestellt worden: auf der Weltausstellung von 1900, wo die
japanische Regierung in einem eigenen Pavillon eine Auslese herrlicher
alter Lacke aus fürstlichem und kirchlichem Besitze vereinigt hatte,
und zwei Jahre später vor der Versteigerung der Sammlung Hayashi in
Paris. Von den schönsten Stücken ist unseres Wissens kein einziges
in ein europäisches Museum gelangt; fast alle sind wieder in den ge-
heimnisvollen Schatzhäusern ihrer Heimat verschwunden, aber zum
Glück sind uns einige wenigstens in Abbildungen geblieben. Die im
Auftrage der japanischen Regierung von der Ausstellungskommission
in Paris 1900 herausgegebene »Histoire de V Art du Japon« enthält
eine Reihe von Lichtdrucken nach charakteristischen Werken der be-
rühmtesten Künstler und Perioden; noch bessere Reproduktionen bringt
von Zeit zu Zeit die Kunstmonatschrift »Kokka«1); und endlich sind
mehrere Arbeiten eines der größten Lackmeister, des Ogata Korin, in
einem eben erschienenen Bilderwerke2) in einer bis dahin unerreichten
Vollkommenheit dargestellt worden. Freilich kann auch das Studium
der besten Abbildungen die Anschauung eines guten Originales nicht
ganz ersetzen.

Das Hauptmaterial des Lackkünstlers ist der Saft der Rhus vernici-
fera, eine lohbraune, zähe, klebrige Flüssigkeit, deren wichtigsten Be-
standteil die Lacksäure bildet3). Wenn dieser Rohlack in einer dünnen
Schicht aufgetragen wird, gewinnt er die außerordentliche Härte und

') The Kokka, a Monthly Journal of Oriental AH. Tokio 1889 ff.

2) Masterpieces selected front the Korin School. — Nippon Shimbi Kyokwai &
Shimbi Shoin. 5 Bände folio, von denen bisher zwei erschienen sind.

3) Die ausführlichsten Angaben über die Natur, Gewinnung und Verarbeitung
des Lackes findet man bei Rein, Japan. Leipzig 1886, II. Bd., S. 400 ff.
 
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