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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 1.1906

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Grosse, Ernst: Der Stil der japanischen Lackkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3529#0196

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1Q2 ERNST GROSSE.

aus Gold, Silber, Bronze, und nicht am wenigsten aus buntglasierter
Fayence, die zuerst von Ritsuwo für diesen Zweck verwendet worden
ist. Die meisten neueren Einlagen sind im Gegensatze zu den älteren
in ziemlich hohem Relief gearbeitet.

Schon aus dieser kurzen Schilderung läßt sich erkennen, daß
Material und Technik des Lackes wenig für die Aufgaben der großen
freien Bildnerei geeignet sind. Die Ausdrucksmittel des Lackkünstlers
sind nicht nur zu beschränkt und zu schwierig, sondern auch zu an-
spruchsvoll für sich selbst. Der Lack entfaltet so starke sinnliche
Reize, daß er als Mittel einer Darstellung ihrem Gegenstande gefähr-
lich werden würde: man würde vor lauter Glanz und Farbe das Bild
nicht sehen. Die Lackkunst ist denn auch nur sehr selten als freie
Bildnerei mit selbständigen Gemälden und Reliefs aufgetreten; sondern
sie hat sich während ihres langen Lebens fast ausschließlich der Ver-
zierung von Gebäuden und Geräten gewidmet. Ihre Bedeutung für
die japanische Architektur können wir von Europa aus auch nicht
annähernd beurteilen; wir müssen uns an die Arbeiten halten, mit
denen sie bewegliche Gegenstände, vornehmlich Behälter und andere
Geräte aus Holz geschmückt hat.

Während der freie Bildner seine Werke rein nach ästhetischen
Motiven gestalten kann, sofern er sich nicht durch unkünstlerische
Rücksichten das Spiel verderben läßt, muß der Zierkünstler seine Ar-
beit einem Gegenstande anpassen, der in erster Linie keine ästhetische,
sondern eine praktische Bestimmung hat, und zwar so, daß die Brauch-
barkeit des Gerätes durch den Schmuck nicht vermindert oder gar
vernichtet wird. Gegen dieses Grundgesetz aller Zierkunst ist im
Abendlande arg gesündigt worden. Wir brauchen nicht erst in unsere
Museen zu gehen, fast in jedem Hause sieht man Geräte, die durch
unpassende oder übermäßige Verzierungen zuweilen ganz unbrauch-
bar, mindestens aber sehr unbequem gemacht sind, — unter den
japanischen Lacken dagegen muß man lange suchen, um etwas Ähn-
liches zu entdecken. Im allgemeinen sind die schönsten Stücke auch
die besten: nicht bloß weil die Lackgründe, welche den härtesten
Widerstand leisten, gewöhnlich zugleich den angenehmsten Anblick
bieten, sondern vornehmlich, weil die Künstler ihre Ziermotive so ge-
wählt und ausgebildet haben, daß sie dem bequemen Gebrauche des
Gerätes niemals Eintrag, oft sogar Vorschub tun. Es ist lehrreich,
daraufhin eine Reihe von gleichartigen Lackgeräten, etwa von Inros
(Medizindöschen, die einst am Gürtel getragen wurden), zu prüfen:
man wird sich bald überzeugen, daß die Verzierungen der meisten
genau an der Stelle und in der Form angebracht sind, welche den
greifenden Fingern einen sicheren und angenehmen Halt gewähren.
 
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