266 OLGA STIEGLITZ.
— Neckisch — Sehnsüchtig — Idyllisch — Mystisch — Keck — Simpel
— Starr — Pikant — Launig.
5. Titel, Überschriften, Programme.
Der Musterung über das sprachliche Rüstzeug instrumentaler Ton-
kunst bleiben noch als vierte Gattung zu betrachten die Titel und
Inhaltsangaben, welche eine große Anzahl von Komponisten der letzten
drei Jahrhunderte ihren Werken beigefügt haben. Scheiden wir jene
Benennungen aus, die sich nur auf die musikalischen Formen beziehen
{Rondo, Sonate, Sinfonie u. s. w.) und daher der musikalischen Nomen-
klatur im engsten Sinne angehören, so fallen alle Titel nebst Erläute-
rungen der behandelten Stoffe mehr oder weniger in das Gebiet der
Programmmusik, der Stimmungs- und Tonmalerei. Werke dieser Art,
die den Gegensatz zur absoluten Musik bilden, können in zwei größere
Gruppen geteilt werden. Es soll in ihnen entweder die gegebene
Wirklichkeit geschildert werden, oder es findet eine Anlehnung an
andere Künste statt. Im ersteren Falle ist die Voraussetzung, daß der
Komponist vermittels Umschreibung des Sichtbaren, Nachahmung des
Hörbaren in unmittelbare Beziehung zu Natur-, Tier- und Menschen-
leben tritt, während er im zweiten Falle Spiegelbilder disparater Formen
oder subjektiv-objektive Kunstdarstellungen zu geben beabsichtigt.
Die Grenzen zwischen beiden Arten der Symbolisierung durch
Klänge sind allerdings fließende, indem viele Worte mit gleichem
Rechte im Zusammenhange mit der Welt des Seins wie mit der des
schönen Scheins gedacht werden können. Hierzu gehören z. B. alle
Schilderungen von Charaktereigenschaften, Abstraktionen von Gemüts-
bewegungen, ferner auch Phantasien, die, im Geiste des Komponisten
entstanden, mit den Tonwerken zugleich in die Erscheinung treten.
Der Versuch einer Übersicht nach den angegebenen Gesichtspunkten
sei immerhin gewagt.
A.
Was zunächst die Entwicklung der inhaltlich bestimmten Musik
in Bezug auf die wirkliche Welt betrifft, so stammen die frühesten bis
jetzt entdeckten Programmsätze auf instrumentalem Gebiet1) aus der
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Eine der ältesten handschriftlichen
Sammlungen von Klavierstücken, das Fitzwilliam Virginalbook — etwa
von 1625 — enthält eine Phantasie von J. Munday, worin fair calm
weather and thunderstorm geschildert wird. Unter den Werken Fresco-
') In der Vokalmusik erscheint Tonmalerei — Nachahmung von Tierstimmen,
Menschengeschrei, Darstellung von Schlachten — bereits im 16. Jahrhundert.
— Neckisch — Sehnsüchtig — Idyllisch — Mystisch — Keck — Simpel
— Starr — Pikant — Launig.
5. Titel, Überschriften, Programme.
Der Musterung über das sprachliche Rüstzeug instrumentaler Ton-
kunst bleiben noch als vierte Gattung zu betrachten die Titel und
Inhaltsangaben, welche eine große Anzahl von Komponisten der letzten
drei Jahrhunderte ihren Werken beigefügt haben. Scheiden wir jene
Benennungen aus, die sich nur auf die musikalischen Formen beziehen
{Rondo, Sonate, Sinfonie u. s. w.) und daher der musikalischen Nomen-
klatur im engsten Sinne angehören, so fallen alle Titel nebst Erläute-
rungen der behandelten Stoffe mehr oder weniger in das Gebiet der
Programmmusik, der Stimmungs- und Tonmalerei. Werke dieser Art,
die den Gegensatz zur absoluten Musik bilden, können in zwei größere
Gruppen geteilt werden. Es soll in ihnen entweder die gegebene
Wirklichkeit geschildert werden, oder es findet eine Anlehnung an
andere Künste statt. Im ersteren Falle ist die Voraussetzung, daß der
Komponist vermittels Umschreibung des Sichtbaren, Nachahmung des
Hörbaren in unmittelbare Beziehung zu Natur-, Tier- und Menschen-
leben tritt, während er im zweiten Falle Spiegelbilder disparater Formen
oder subjektiv-objektive Kunstdarstellungen zu geben beabsichtigt.
Die Grenzen zwischen beiden Arten der Symbolisierung durch
Klänge sind allerdings fließende, indem viele Worte mit gleichem
Rechte im Zusammenhange mit der Welt des Seins wie mit der des
schönen Scheins gedacht werden können. Hierzu gehören z. B. alle
Schilderungen von Charaktereigenschaften, Abstraktionen von Gemüts-
bewegungen, ferner auch Phantasien, die, im Geiste des Komponisten
entstanden, mit den Tonwerken zugleich in die Erscheinung treten.
Der Versuch einer Übersicht nach den angegebenen Gesichtspunkten
sei immerhin gewagt.
A.
Was zunächst die Entwicklung der inhaltlich bestimmten Musik
in Bezug auf die wirkliche Welt betrifft, so stammen die frühesten bis
jetzt entdeckten Programmsätze auf instrumentalem Gebiet1) aus der
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Eine der ältesten handschriftlichen
Sammlungen von Klavierstücken, das Fitzwilliam Virginalbook — etwa
von 1625 — enthält eine Phantasie von J. Munday, worin fair calm
weather and thunderstorm geschildert wird. Unter den Werken Fresco-
') In der Vokalmusik erscheint Tonmalerei — Nachahmung von Tierstimmen,
Menschengeschrei, Darstellung von Schlachten — bereits im 16. Jahrhundert.