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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 1.1906

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Volbehr, Theodor: Die Neidfarbe Gelb
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https://doi.org/10.11588/diglit.3529#0360

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356 THEODOR VOLBEHR.

Das heißt also mit dürren Worten: man mag die Sache ansehen
von welcher Seite man will, die Wertschätzung der gelben Farbe ist
in ständigem Sinken.

Im Altertum war Gelb die hochverehrte Kultfarbe, »im Mittelalter«
— so faßt Lichtwark das Ergebnis der Ewaldschen Forschungen zu-
sammen — »wurde das Blau zur Kultfarbe erhoben und das Gelb zur
Neid- und Teufelsfarbe gestempelt.«

Soweit ich die Wirkung dieser Behauptung Arnold Ewalds habe
beobachten können, ist sie stark und nachhaltig gewesen. Alfred Licht-
wark schreibt 1902 in der »Erziehung zum Farbensinn«: »Diese un-
geheure Umkehrung der symbolischen Bedeutung von Blau und Gelb
kann bisher nur als Tatsache hingestellt, in keiner Weise jedoch er-
klärt werden.«

In sechsundzwanzig Jahren war also die Ewaldsche Behauptung
zur Tatsache umgewandelt, und selbst eine kritisch so stark veran-
lagte Natur wie Alfred Lichtwark hielt es für ausgeschlossen, an dieser
Tatsache zu deuteln oder eine Erklärung für sie zu finden.

Man möchte daraus schließen, daß die Art und Weise, wie Ewald
seine Behauptungen belegt, etwas ungewöhnlich Überzeugendes hat.

Hat er vielleicht gar schon selbst nach einer Erklärung gesucht
und bei diesem Suchen entdeckt, daß eine Antwort auf die Frage nach
den inneren Gründen dieser »ungeheuren Umkehrung« sich nicht eher
geben läßt, als bis weite, noch brach liegende Wissensgebiete systema-
tisch angebaut worden sind? Und ergibt sich vielleicht aus solcher
Entdeckung die Unmöglichkeit, in absehbarer Zeit eine Erklärung zu
finden? Keineswegs. Ewald hat auch nicht einmal den Versuch ge-
macht, dieser Frage näher zu treten. Er begnügt sich damit, zu sagen:
»Es geht unzweifelhaft aus dieser Untersuchung hervor, daß der
Grund für die Veränderung der typischen Neidfarbe nur in dem ver-
änderten Verhältnis der hier in Betracht kommenden Farben, hier
namentlich des Gelb, zur menschlichen Anschauung zu suchen sei.
Die Ansicht über diese Farbe muß sich im Lauf der Zeit und mit dem
Wechsel der leitenden Kulturvölker verschoben haben. Die Neigung
der Römer für das Gelb muß zu groß gewesen sein, als daß sie es
hätten dem gefürchteten und verhaßten Neide zuschreiben können;
die Sympathie für das Gelb muß bei uns so gering sein, daß wir
kein Bedenken tragen, es zur Leibfarbe des Neides zu erklären.«

Ewald zeigt uns also lediglich Sympathie und Antipathie gleich
Wechsel winden durch die Gemüter ganzer Völker hindurch stürmen;
keiner weiß, von wannen sie kommen.

Und er zeigt uns das in etwas summarischer Weise. Er unter-
sucht drei Kulturperioden — warum nur diese drei und warum gerade


 
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