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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 1.1906

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Volbehr, Theodor: Die Neidfarbe Gelb
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https://doi.org/10.11588/diglit.3529#0369

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DIE NEIDFARBE GELB. 365

Die Farbe Gelb ist also fälschlich in den Verdacht gekommen, ihre
Wirkung auf die Gemüter in der christlichen Zeit völlig verändert zu
haben. Das gilt auch in Bezug auf die neueste Zeit. Oder ist es ein
Beweis, daß wir Heutigen das Gelb als eine Teufelsfarbe empfinden,
wenn ein Künstler wie Max Klinger der Gestalt Christi in seinem
großen Gemälde »Christus im Olymp« ein gelbes Gewand anzieht,
oder wenn Detlev von Liliencron in der Golgatha-Erzählung seines
»Poggfred« immer von den »bernsteingelben Haaren« Christi spricht?
Und die Kirche? Im katholischen Kultus wird heute an den Festen
der höchsten Freude Weiß, Gelb und Gold als völlig gleichbedeutend
nebeneinander gebraucht.

Nein, die Sache ist heute noch so wie sie vor Jahrhunderten ge-
wesen ist: Gelb wirkt nächst Rot und Orange am lebhaftesten auf
die Sehnerven des Menschen und diese Wirkung wird als angenehm
empfunden, wenn der Mensch Wärme und Erregung wünscht. Wil-
liam Herschel hat experimentell nachgewiesen, daß die einzelnen
Farbenstrahlen des durch ein Prisma zerteilten Sonnenstrahles ver-
schiedene Wärmegrade haben, und zwar, daß Rot am wärmsten, Blau
und Violett am kühlsten seien. Ähnlich so wie auf das Thermometer
wirken nun auch auf den Menschen die einzelnen Farben. Dann aber
kann niemals, wo Menschen Wärme in der Färbung verlangen, eine
kühle Farbe gewählt werden. Deshalb kann niemals Blau an die
Stelle von Gelb treten.

Nur eines ist möglich: daß die Gesamtstimmung eines einzelnen
Menschen oder einer Gruppe von Menschen oder einer ganzen Epoche
kühle Empfindungen den wärmeren vorzieht. In solchen Fällen wird
auch ein Bevorzugen kühler Farben stattfinden. Man denke z. B. an
die antikisierende Empirezeit mit ihrer Vorliebe für Violett und Blau.
Aber auch diese Zeit konnte nie dazu kommen, eine wärmere Farbe
als solche zu verachten.

Und deshalb scheint mir die ganze Theorie von Arnold Ewald auf
einer »optischen Täuschung« zu beruhen.
 
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