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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 1.1906

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Spitzer, Hugo: Apollinische und dionysische Kunst, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3529#0438

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434 HUGO SPITZER.

wort schuldig bleibt, darf es nicht verwehrt sein, jene gewissermaßen
über das einfache Gefühlsfaktum hinausgehende, seine Beziehungen
zu Gedanken und Begehrungstendenzen fixierende Methode, wie sie
die ganze Vor-Langesche Affektenlehre beherrscht hat, zu Hilfe zu
nehmen und solcherart neue, zu weiteren Trennungen dienende, eine
feinere, reichere Begriffsgliederung ermöglichende Gesichtspunkte ein-
zuführen. Dadurch schon, daß diese letztere, gemeinhin als »psycho-
logisch« bezeichnete Gefühlsanschauungsweise bloß mit ihren eigenen
Mitteln eine leidlich gute Definition aller der hauptsächlichen Gemüts-
bewegungen verstattet hat, welche auch der physiologischen Theorie
als sicher gekennzeichnete, in sich geschlossene Affekttypen gelten,
ist ja selbst für denjenigen, welcher dem Lange-Jamesschen Stand-
punkte zuneigt, ihre teilweise Brauchbarkeit und Berechtigung verbürgt.
Indes psychologisch, eminent psychologisch müßte natürlich auch die
ursprüngliche Bildung der Affektvorstellungen heißen, worin gemäß
der Langeschen Hypothese der naive, unwissende, aller anatomisch-
physiologischen Kenntnisse bare Mensch gleichartige, konstant wieder-
kehrende Komplexe von Organempfindungen, also Sensationen, sub-
jektive, psychische Gebilde ihrer Identität nach erfaßte, ohne die leiseste
Ahnung der feineren körperlichen Vorgänge, die sich in solchen Emp-
findungen reflektieren. Daß dieser Begriffsfassung und der mit ihr
unweigerlich zusammenstimmenden, sie begründenden, erklärenden
physiologischen durch die Konzeptionen jener anderen, sich par excel-
lence psychologisch nennenden Affektabgrenzung keine Gefahr drohen
würde, daß die anderswo hergeholten Bestimmungen sie wohl zu ver-
schärfen und weiter ins Detail auszuführen, niemals jedoch umzustoßen
vermöchten, ergibt sich aus den Prinzipien der physiologischen Affekten-
lehre selbst. Ist also das Wohlgefallen am Schönen, die ästhetische
Lust nicht jederzeit ganz direkt und mit vollster Klarheit als Freude
erkannt, empfunden worden — dies aber dürfte schwerlich zu be-
haupten sein, da sonst die ganze Frage nicht aufgeworfen und disku-
tiert werden könnte —, so bleibt im Hinblick auf das hier ans Licht
gebrachte Unterscheidungsmerkmal die ästhetische Lust Lust, der Affekt
der Freude Freude. Und als eine besondere Gunst unserer Sprache
erscheint es, daß sie dem Psychologen nicht bloß die Mittel zur Ent-
deckung der Verschiedenheit an die Hand gibt, sondern auch das
einmal Aufgefundene festzuhalten und folgerichtig zu verwerten erlaubt.
 
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