608 BESPRECHUNGEN.
indem sie den Objektivismus des letzteren mit dem Subjektivismus der ersteren
vereinigt. Der Sinn des Schönen ist die Idee des Absoluten (unity und totality,
beides = self-completeness). Das Subjekt muß self-completeness aber nicht nur er-
kennen, sondern ihrer der Form (Gestaltqualität) nach unmittelbar inne werden, es
muß sich im Zustande von Selbstvollkommenheit befinden (S. 46 u. 47). Das wird
zu Wege gebracht (damit gelangen wir in den Bereich der psychologischen Betrach-
tung) durch eine Vereinigung von günstiger Anregung (Stimulation) und Ruhe (re-
pose), in der sich die vielartigen Reize und an sie geknüpften Bewegungsantriebe
gegenseitig ins Gleichgewicht setzen. — Die Verfasserin ist nämlich Anhängerin der
sensualistischen Gefühlslehre. Man glaubt James zu hören, wenn es z. B. S. 14 heißt:
»So ist Furcht beim Anblick eines Bären nur die ins Bewußtsein dringende Zurück-
strahlung aller nervösen und Gefäß-Veränderungen, welche instinktiv als Vorberei-
tung zur Flucht ausgelöst werden.« Sogar das Selbstbewußtsein soll eine Bewe-
gungsempfindung sein, nämlich die, welche beim Übergang von einer Vorstellung
zur anderen entsteht. Dieser Übergang soll nach Puffer nur vermittels der begleiten-
den Bewegungsempfindungen wahrgenommen werden können. Wenn man nun
auch bei den Emotionen zugeben muß, daß sie im Bewußtsein mit ihren Begleit-
und Folgeerscheinungen (motor sensations) aufs engste verbunden vorkommen
(woraus noch nicht die Identität beider folgt), so sind doch beim Vorstellungs-
wechsel nur in seltenen Fällen »motor sensations« gegeben, und sie können dem-
nach auch nicht das Bewußtsein dieses Wechsels begründen oder gar ausmachen.
Die »Aesthetic Repose« wird nun im folgenden Abschnitt näher behandelt.
Wenn ein Objekt so beschaffen ist, daß die motorischen Impulse, durch welche wir
es auffassend innerlich nachahmen (»contemplation is inner imitation«) aufeinander
hinweisen, sich das Gleichgewicht halten, eine geschlossene Einheit bilden, dann ist
unsere Aufmerksamkeit in diesem Ganzen wie in einem Kreise gefangen, wir fühlen
uns mit ihm eins. Die Beziehung, die sonst zwischen der Sinneswahrnehmung und
dem Hintergrund des Bewußtseins (dieser nach P. ebenfalls in sensations bestehend)
stattfindet, die Möglichkeit des Übergangs zwischen Vorder- und Hintergrund und
die damit gegebene Bewegungsempfindung (= Selbstbewußtsein) verschwindet,
indem der Hintergrund selbst ins Unbewußte versinkt. Es entsteht »repose«. Diese
wird nun auf verwandten Gebieten, so beim intellektuellen Schaffen und bei der
Ekstase, aufgesucht und besonders in der religiösen Form sehr fesselnd beschrieben.
— So weit ist nun, wie mir scheint, der ästhetische Vorgang (abgesehen von der
zu Grunde liegenden Gefühlstheorie) richtig dargestellt. Aber damit ist er nicht,
wie es nach P. scheint, schon erschöpft. Stimulation und repose werden nach ihr
zwar auch auf die Objekte bezogen, weil der Hintergrund des Bewußtseins aus-
gefallen ist. Aber dieses Bezogensein hat doch verschiedene Grade, und nicht alle
gehören dem ästhetischen Verhalten an. Man kann z. B. bei sehr angenehmen Ge-
schmäcken und Gerüchen »repose"- in der Stimulation haben, alles andere und sich
selbst über ihnen vergessen, aber man hat dann noch keinen ästhetischen Genuß.
Dieser tritt erst dann ein, wenn der Gemütszustand in der innigsten Weise auf
den Gegenstand bezogen, m. a. W. wenn er »eingefühlt« ist. Nur so kann man
das Sinnlich-Angenehme vom Schönen trennen, was mit den Begriffsmitteln der
Theorie Puffers nicht möglich ist. Sie scheint denn auch Guyau nicht zu wider-
sprechen, der den Genuß von Milch nach einer langen Bergtour zu den ästhetischen
Genüssen zählt. Die Beispiele, die P. S. 271 gegen Santayanas Definition der
Schönheit als »objectified pleasure« anführt, beweisen nichts, weil es sich
bei diesen ebenfalls nicht um Einfühlung, d. i. die eigentliche Objektivierung
handelt.
indem sie den Objektivismus des letzteren mit dem Subjektivismus der ersteren
vereinigt. Der Sinn des Schönen ist die Idee des Absoluten (unity und totality,
beides = self-completeness). Das Subjekt muß self-completeness aber nicht nur er-
kennen, sondern ihrer der Form (Gestaltqualität) nach unmittelbar inne werden, es
muß sich im Zustande von Selbstvollkommenheit befinden (S. 46 u. 47). Das wird
zu Wege gebracht (damit gelangen wir in den Bereich der psychologischen Betrach-
tung) durch eine Vereinigung von günstiger Anregung (Stimulation) und Ruhe (re-
pose), in der sich die vielartigen Reize und an sie geknüpften Bewegungsantriebe
gegenseitig ins Gleichgewicht setzen. — Die Verfasserin ist nämlich Anhängerin der
sensualistischen Gefühlslehre. Man glaubt James zu hören, wenn es z. B. S. 14 heißt:
»So ist Furcht beim Anblick eines Bären nur die ins Bewußtsein dringende Zurück-
strahlung aller nervösen und Gefäß-Veränderungen, welche instinktiv als Vorberei-
tung zur Flucht ausgelöst werden.« Sogar das Selbstbewußtsein soll eine Bewe-
gungsempfindung sein, nämlich die, welche beim Übergang von einer Vorstellung
zur anderen entsteht. Dieser Übergang soll nach Puffer nur vermittels der begleiten-
den Bewegungsempfindungen wahrgenommen werden können. Wenn man nun
auch bei den Emotionen zugeben muß, daß sie im Bewußtsein mit ihren Begleit-
und Folgeerscheinungen (motor sensations) aufs engste verbunden vorkommen
(woraus noch nicht die Identität beider folgt), so sind doch beim Vorstellungs-
wechsel nur in seltenen Fällen »motor sensations« gegeben, und sie können dem-
nach auch nicht das Bewußtsein dieses Wechsels begründen oder gar ausmachen.
Die »Aesthetic Repose« wird nun im folgenden Abschnitt näher behandelt.
Wenn ein Objekt so beschaffen ist, daß die motorischen Impulse, durch welche wir
es auffassend innerlich nachahmen (»contemplation is inner imitation«) aufeinander
hinweisen, sich das Gleichgewicht halten, eine geschlossene Einheit bilden, dann ist
unsere Aufmerksamkeit in diesem Ganzen wie in einem Kreise gefangen, wir fühlen
uns mit ihm eins. Die Beziehung, die sonst zwischen der Sinneswahrnehmung und
dem Hintergrund des Bewußtseins (dieser nach P. ebenfalls in sensations bestehend)
stattfindet, die Möglichkeit des Übergangs zwischen Vorder- und Hintergrund und
die damit gegebene Bewegungsempfindung (= Selbstbewußtsein) verschwindet,
indem der Hintergrund selbst ins Unbewußte versinkt. Es entsteht »repose«. Diese
wird nun auf verwandten Gebieten, so beim intellektuellen Schaffen und bei der
Ekstase, aufgesucht und besonders in der religiösen Form sehr fesselnd beschrieben.
— So weit ist nun, wie mir scheint, der ästhetische Vorgang (abgesehen von der
zu Grunde liegenden Gefühlstheorie) richtig dargestellt. Aber damit ist er nicht,
wie es nach P. scheint, schon erschöpft. Stimulation und repose werden nach ihr
zwar auch auf die Objekte bezogen, weil der Hintergrund des Bewußtseins aus-
gefallen ist. Aber dieses Bezogensein hat doch verschiedene Grade, und nicht alle
gehören dem ästhetischen Verhalten an. Man kann z. B. bei sehr angenehmen Ge-
schmäcken und Gerüchen »repose"- in der Stimulation haben, alles andere und sich
selbst über ihnen vergessen, aber man hat dann noch keinen ästhetischen Genuß.
Dieser tritt erst dann ein, wenn der Gemütszustand in der innigsten Weise auf
den Gegenstand bezogen, m. a. W. wenn er »eingefühlt« ist. Nur so kann man
das Sinnlich-Angenehme vom Schönen trennen, was mit den Begriffsmitteln der
Theorie Puffers nicht möglich ist. Sie scheint denn auch Guyau nicht zu wider-
sprechen, der den Genuß von Milch nach einer langen Bergtour zu den ästhetischen
Genüssen zählt. Die Beispiele, die P. S. 271 gegen Santayanas Definition der
Schönheit als »objectified pleasure« anführt, beweisen nichts, weil es sich
bei diesen ebenfalls nicht um Einfühlung, d. i. die eigentliche Objektivierung
handelt.