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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 6.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.3675#0305
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BESPRECHUNGEN. 2Q9

bestimmten Eindruckssteigerung, wie es auch bei Weisbach erkennbar ist, nur daß
hier der illusionistische Charakter hineingedeutet wird, so finden wir dies Moment
bei Christiansen in einer absolut gegenteiligen Deutung wieder: Das Ziel des
impressionistischen Kunstwerks ist die möglichste Steigerung der Gegenstands-
impression. »Es handelt sich um die Methode, die eindrucksvollsten Elemente
einer sinnlichen Erscheinung herauszuheben.« Aber »es handelt sich nicht um
Impressionen im Sinne des Sensualismus, sondern um die sekundären Impressionen,
um den unbildlichen Gegenstandseindruck, um sein Stimmungsdifferenzial«.

So fein das Wesen dieser Gegenstandsimpressionen von Christiansen gezeichnet
wird, so fein der Versuch, ihre Eigenart im Aufbau des ästhetischen Objekts zu
verwenden, so liegt doch die Verwendbarkeit, der Wert dieser »Stimmungsquali-
täten«, »Stimmungsdifferenziale« hauptsächlich in ihrer Unbestimmtheit und ihrem
vagen Charakter. Das spricht nicht für sie. Bei der Zielbestimmung des Impres-
sionismus scheidet zudem Christiansen den Neoimpressionismus, trotzdem er »mit
Recht sich als Vollendung des modernen Impressionismus empfindet«, als aktuelle
Besonderheit aus und ebenso »alle Verführungen der sensualistischen Theorie«, aus
dem Grunde, scheint mir, um die Wesensbestimmung des Impressionismus mög-
lichst eng an seine Theorie von der Umwandlung der Sinneseindrücke zu »Stim-
mungsimpressionen« anschließen zu können.

Während bei Weisbach die Impression Wirklichkeitscharakter erhält, während
sie bei Christiansen unbildlich und außersinnlich wird, bleibt bei Hamann der Eigen-
wert der Impression bestehen, »indem der reine Eindruck gilt, die unmittelbar sinn-
liche Wahrnehmung, dagegen zurücktritt die Verarbeitung der Eindrücke, das Er-
kennen, die denkende verknüpfende Funktion«. »Der Eindruck soll nur etwas sein,
aber nichts bedeuten.« »Die Wirkung dessen zu steigern, was übrig bleibt, wenn
man die intellektuellen Beziehungen ausschaltet, darin sieht der Impressionismus
seine eigentümliche Schönheit.« Kurzum: das stimulierende Prinzip, die Intensivie-
rung des gegenwärtigen, beziehungslosen sinnlichen Eindrucks tritt in der Hamann-
schen Darstellung am reinsten, ohne jede fremde Beimischung hervor, und hier
erklären sich am ungezwungensten und in voller Einheitlichkeit die bekannten Cha-
rakteristiken des Impressionismus: die Formauflösung, die Bedeutung von Licht
und Farbe, ihre Brechungen, der Reiz der Andeutung, die Ausnützung der Sug-
gestivkraft alles Momentanen u. s. f.

Nun wäre das Problem gewesen: wie weit zeigt sich dieser im modernen
Impressionismus erkannte Charakter in den Perioden der Malerei, in denen wir das
Vorhandensein impressionistischer Tendenzen erkennen können. Welche Perioden
gemeint sind, ergab sich schon aus den Skizzierungen bei Hamann. Bei Weisbach
folgen aufeinander: Die Antike. Venedig. El Greco und Velasquez. Die Nieder-
lande. Das 18. Jahrhundert. — Die rein kunstgeschichtlichen Fragen können an
dieser Stelle unberücksichtigt bleiben. — Das Material ist mit großem Fleiß durch-
gegangen. Die vielen eingehenden Beobachtungen über die Malweise der ver-
schiedenen Meister, die sorgfältigen Aufzeichnungen vor den Originalen werden
besonders von den Kunsthistorikern dankbar empfangen werden. Aber hier macht
sich nun die Einseitigkeit der Problemauffassung geltend, indem der Verfasser bei
der Entwicklung der impressionistischen Malweise stehen bleibt. Unbegreiflicher-
weise fehlt schon eine entsprechende Betonung der »Auffassung« und der Gegen-
standswahl, und schon deshalb läßt die Lösung der Aufgabe, die der Verfasser sich
stellt, »das impressionistische Problem in seinen Wandlungen bei verschiedenen
Völkern zu verfolgen«, manchen Wunsch unerfüllt. Gerade die Wandlungen, die
Wendungen in scharfer Bestimmtheit hervortreten zu sehen, hätte man in erster
 
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