Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 6.1911

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3675#0308
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
302 BESPRECHUNGEN.

platten. Dann geraten wir aber mitten in das Problematische hinein. Dieser Teil
des Buches, für den Kenner höchst interessant, wird den Laien am wenigsten be-
friedigen. Wir erfahren zwar, daß Shiba Kokvvan ohne Zweifel kurz nach Haru-
nobus Tode dessen Blätter so nachgeahmt habe, daß seine Zeitgenossen die Fäl-
schungen nicht erkannten. Wir selbst erkennen sie aber leider auch noch nicht
sicher, denn des Fälschers eigene Angabe, daß er die »chinesischen Schneebambus-
bilder« und die durchsichtigen Kostüme als Erster gezeichnet habe, und zwar unter
Harunobus Signet, ist noch keine Lösung des Problems, denn derartige Dinge
kommen in fraglos von Harunobu illustrierten Büchern vor. Es müssen sich eben
unter Shiba Kokwans Worten noch uns unbekannte Nebenbedeutungen verstecken,
die die Begriffe schärfer definieren. Auch Kurths Antwort auf die Frage, warum
ganze Folgen in Harunobus Art nur die Namen seiner Holzschneider tragen, die
sonst fast nie auf seinen Werken vorkommen, kann das Richtige treffen. Aber wir
sind überhaupt über den Grad der Selbständigkeit dieser Kunsthandwerker noch
zu wenig unterrichtet, um in solchen Dingen mehr als Vermutungen aussprechen
zu können. Das dritte Problem über das Verhältnis Harunobus zu seinem Freunde,
Schüler und Nachahmer Koriusai wäre nur schärfer anzupacken, wenn ein einiger-
maßen vollständiger Überblick über die echten und zweifelhaften Werke beider
möglich wäre. Bei der Zerstreutheit des Originalmateriales und dem Mangel an
umfassenden Publikationen hat es damit noch gute Weile.

Sehr förderlich für weitere Untersuchungen ist, daß Kurth in Text und Abbil-
dungen wichtige Anhaltspunkte für die künstlerische Entwicklung Harunobus gibt.
Die beiden primitiven Schauspielerblätter von seiner Hand sprechen es deutlich
aus, daß dieser damals schon höchst beliebte Darstellungsstoff ihm gar nicht lag.
Die bis zur Karikatur gesteigerte Charakteristik ihrer Rollen war die Stärke der
Schauspieler und das Moment, das ältere und spätere Künstler — ich nenne nur
den Namen Sharaku! — sehr glücklich getroffen haben. Harunobu war aber
ästhetisch zu zart veranlagt, um mit ihnen wetteifern zu können. Er gab das Schau-
spielerporträt bald auf und nannte die armen Mimen Plebejerpack, wobei man aller-
dings etwas an die »sauren Trauben« denkt. Wahrscheinlich liegt zwischen diesen
Schauspielerporträts und den ersten Holzschnitten mit vielen Farbplatten eine Reihe
von Jahren — der Dreifarbendruck soll 1755, die »Brokatbilder« 1765 aufgekommen
sein —, in die wohl gewisse zwischen beiden liegende archaische Blätter einzu-
ordnen wären. Kurth geht über diesen Zeitraum rasch hinweg, um mehr Raum
und Abbildungen für die Blütezeit zu gewinnen, die nur fünf Jahre dauerte, denn
schon 1770 starb der Meister. Inwieweit Kurths Versuche, aus technischen Gesichts-
punkten und einigen sicheren Datierungen Anhaltspunkte für eine genetische An-
ordnung der Werke dieser Periode zu finden, zutreffende Resultate liefern, müssen
weitere Untersuchungen lehren.

Die Abbildungen sind durchweg klar und geben einen Begriff von der Linien-
führung Harunobus. Welchen Wohllaut, ja Großartigkeit des Rhythmus er er-
reichen konnte, zeigt das erste Blatt des »Maneyemon«, Abbildung 16. Leider muß
der Leser auf den Genuß der köstlichen Farben verzichten, denn das Titelbild gibt
davon nur eine schwache Idee. Nicht ganz einverstanden bin ich damit, daß Kurth
einige unsignierte Blätter wiedergab, deren Zuteilung an Harunobu durchaus nicht
sicher ist, so Abbildung 30 und 34. Statt ihrer hätten die Reproduktionen aus Haru-
nobus Schwarzbüchern, die ganz authentisch sind und seine Hand besonders rein
zeigen, gern noch etwas reichlicher geboten werden können.

Doch nun genug der Krittelei und einmal Dank aus vollem Herzen für die
Geschichte des Honiggeleeverkäufers Dohei! Merkwürdig! Da verfaßt ein »fliegen-
 
Annotationen