NEUHEIT UND WIEDERHOLUNG IM ÄSTHETISCHEN GENIESSEN. 81
die zusammen den Reiz des Reimklanges ausmachen. Was sonst an
Wiederholungen in der Poesie vorkommt in den Formen des Refrains,
des Rondeaus, des Triolets usw. hat seinen Grund meist ursprüng-
lich in der begleitenden Musik, schöpft aber den Reiz seiner Wirkung
aus denselben Quellen wie jene musikalischen Wirkungen. Auch hier
ist es ein anmutiges Spiel mit Vertrautheit und Überraschung im Leser,
das der Dichter treibt. Auch dem musikalischen Leitmotiv verwandte
Züge findet man in der Poesie. Schon in den formelhaften Versen
Homers könnte man etwas derartiges vermuten, näher aber liegt die
Beziehung etwa bei Ibsens späteren Dramen, wo gewisse Worte und
Sätze in eigentümlich bedeutsamer Weise immer wiederholt werden,
um besondere Stimmungen wachzurufen. Auf die groteske Wirkung
der Wiederholung zu komischen Zwecken in Lustspielen sei nur neben-
her aufmerksam gemacht.
Es ließe sich auf diese Weise an den Kunstwerken noch mit un-
zähligen Beispielen die große Rolle dartun, die Wiederholung, Neuheit
und die aus beiden gemischte Variation in den Einzelkünsten spielen.
Indessen ist das hier nicht möglich, war auch nicht die Absicht, das
im einzelnen zu belegen. Es sollte hier nur in Kürze die Wichtigkeit
dieser Gefühle für den tatsächlichen Kunstgenuß dargetan werden.
Die landläufige Ästhetik hat nur allzu oft die Rolle dieser sehr wich-
tigen Faktoren übersehen, auf ihrer Jagd ins Blaue nach dem absoluten
Gefühl des »Schönen an sich«. Etwas derartiges gibt es nicht. Es
gibt nur das ganz subjektive Gefallen, das seinen Grund in außer-
ordentlich vielen, nicht immer alle nachzuweisenden Faktoren haben
kann, worunter die hier besprochenen, wenn auch nicht die wich-
tigsten, so doch auch nicht die geringsten sind. Das »Schöne« ist
nur die objektive Möglichkeit oder wenn man will die Wahr-
scheinlichkeit oder die günstigste Bedingung, im Genießen-
den das subjektive Gefühl des Wohlgefallens zu erzeugen1).
') Eine breitere Fundierung der hier zugrunde gelegten allgemeineren An-
schauungen über das Wesen der Kunst findet man in meinem Werke »Psycho-
logie der Kunst«, 2 Bände, das demnächst bei Teubner erscheint.
Zeitsclir. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. VII.
die zusammen den Reiz des Reimklanges ausmachen. Was sonst an
Wiederholungen in der Poesie vorkommt in den Formen des Refrains,
des Rondeaus, des Triolets usw. hat seinen Grund meist ursprüng-
lich in der begleitenden Musik, schöpft aber den Reiz seiner Wirkung
aus denselben Quellen wie jene musikalischen Wirkungen. Auch hier
ist es ein anmutiges Spiel mit Vertrautheit und Überraschung im Leser,
das der Dichter treibt. Auch dem musikalischen Leitmotiv verwandte
Züge findet man in der Poesie. Schon in den formelhaften Versen
Homers könnte man etwas derartiges vermuten, näher aber liegt die
Beziehung etwa bei Ibsens späteren Dramen, wo gewisse Worte und
Sätze in eigentümlich bedeutsamer Weise immer wiederholt werden,
um besondere Stimmungen wachzurufen. Auf die groteske Wirkung
der Wiederholung zu komischen Zwecken in Lustspielen sei nur neben-
her aufmerksam gemacht.
Es ließe sich auf diese Weise an den Kunstwerken noch mit un-
zähligen Beispielen die große Rolle dartun, die Wiederholung, Neuheit
und die aus beiden gemischte Variation in den Einzelkünsten spielen.
Indessen ist das hier nicht möglich, war auch nicht die Absicht, das
im einzelnen zu belegen. Es sollte hier nur in Kürze die Wichtigkeit
dieser Gefühle für den tatsächlichen Kunstgenuß dargetan werden.
Die landläufige Ästhetik hat nur allzu oft die Rolle dieser sehr wich-
tigen Faktoren übersehen, auf ihrer Jagd ins Blaue nach dem absoluten
Gefühl des »Schönen an sich«. Etwas derartiges gibt es nicht. Es
gibt nur das ganz subjektive Gefallen, das seinen Grund in außer-
ordentlich vielen, nicht immer alle nachzuweisenden Faktoren haben
kann, worunter die hier besprochenen, wenn auch nicht die wich-
tigsten, so doch auch nicht die geringsten sind. Das »Schöne« ist
nur die objektive Möglichkeit oder wenn man will die Wahr-
scheinlichkeit oder die günstigste Bedingung, im Genießen-
den das subjektive Gefühl des Wohlgefallens zu erzeugen1).
') Eine breitere Fundierung der hier zugrunde gelegten allgemeineren An-
schauungen über das Wesen der Kunst findet man in meinem Werke »Psycho-
logie der Kunst«, 2 Bände, das demnächst bei Teubner erscheint.
Zeitsclir. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. VII.