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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0148
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144 BESPRECHUNGEN.

schneller und ohne Umwege auf der beschrittenen Bahn der Bühnenreform weiter-
schreiten können.

München-Solln. Waldemar Conrad.

Othmar von Leixner, Einführung in dieGeschichte des Mobiliars
und die Möbelstile. 196 S. mit 190 Abbildungen. 8°. Konrad Grethleins
Verlag in Leipzig.
In der Einleitung des Buches steht: »Die Geschichte des Mobiliars kann mit
vollem Recht als ein Teil der Kulturgeschichte angesehen werden. In ganz hervor-
ragender Weise gilt dieser Satz für das Sitzmöbel, kommt doch in der Art des
Sitzens, in der Körperhaltung usw. die gesellschaftliche Schulung einer Zeit überaus
deutlich zum Ausdruck«. Sehr wahr. Da ist eine so direkte Abhängigkeit, daß
wir in der Erklärung den Umweg über das ganze Raumgefühl jeder Zeit, das aus
den Bedürfnissen des Körpergefühls resultiert, und somit den Umweg über die
große Architektur gar nicht zu machen brauchen. Ein besonders lehrreicher, ein-
facher und starker Fall, wie die selbstgeschaffene Umgebung des Menschen zum
Ausdruck des Menschen wird, und zwar ganz eminent auf dem Wege durch den
Körper des Formenden wie des Betrachtenden und Benutzenden! Es wird hier
nicht nur durch den Körper gestaltet, sondern die ganze Leiblichkeit wird auch mit
ihren sonstigen Bedürfnissen direkt maßgebend. Leider hat das Buch den Gedanken
nicht In die einzelnen Erscheinungen hinein durchgeführt. Da aber diese Betrach-
tung bis ins einzelne außerordentlich aufschlußreich sein kann, mag sie hier einmal
vorgenommen werden.

Dabei ist zunächst ganz allgemein folgendes zu beachten: Der Kunst gegenüber
pflegt man genauer hinzusehen als sonst im Alltag, schon weil man weiß, es handle
sich um Dinge, die gemacht sind, um gesehen zu werden; das gilt auch bei der
Nutzkunst, die in der Arbeit für das Auge eines ihrer Ziele neben anderen Auf-
gaben hat. Und so verfeinert sich dort alles Empfinden, Vorstellen und Fühlen,
und auch noch weiterhin dadurch, daß der Künstler die Dinge nach der ästhe-
tischen, also anschaulichen Seite intensiver auffaßt als andere Leute und in der
Gebrauchskunst auch für allerlei praktische Bedürfnisse und ihre Verdeutlichung
mehr vorsorgt, als die faktischen Zwecke das technisch und notdürftig erfordern
würden. Z. B. in der Architektur baut er nicht nur sicherer, als es gerade genau
nötig wäre, sondern gestaltet die Formen auch so, daß sie recht haltbar, stabil und
dauernd aussehen bis hinauf zum monumentalen Eindruck; etwa mit stützenden
Wandpilastern oder mit rings horizontal verbindenden und umklammernden Ge-
simsen und dergleichen mehr. Oder in der Möbelkunst gibt er die nötige Bequem-
lichkeit, die z. B. beim Sitzmöbel über das notdürftige Sitzenkönnen schon weit
hinausgeht, und betont sie außerdem noch durch eine besondere Gestaltung für das
Auge, führt also vielleicht den Ausdruck der Behaglichkeit bis ins einzelne weiter
durch auch an Formen, die selber gar nicht mehr physisch so unmittelbar dem be-
nutzenden Körper gegenüber mitwirken — also etwa in der besonderen Formung
und Ornamentierung der Füße des Sessels. So läßt er auch den Benutzer sich wirk-
lich noch viel behaglicher und bequemer fühlen, weil dieser die Fürsorge nun auch
noch deutlich sieht und nicht nur an seinem Körper spürt. Der Künstler formt also
mit heraustreibenden Bezeichnungen und vermag oft dadurch erst den Aufnehmen-
den zum Nachempfinden anzuregen, dann aber freilich bedeutend; des Betrachters
ästhetisches Erleben verlangt eine besondere Zubereitung, um überhaupt allererst
über die »Schwelle« zu treten, sonst bleibt das Nacherleben häufig hinter dem wirk-
lichen Vorgang zurück. Nun aber geht es an der Hand des Künstlers sogar darüber
 
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