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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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Moog, Willy: Die homerischen Gleichnisse, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0374
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370 WILLY MOOG.

und immer wieder färbt sich grau die Luft von neuen Haufen« (S. 73).
Die germanische Poesie scheint im allgemeinen nicht zu weit ausge-
führten Gleichnissen zu neigen, sie liebt mehr die Knappheit. Wenig-
stens finden sich in der älteren Dichtung fast nur Metaphern und
kurze Vergleiche, und diese nicht übermäßig reich. Bekannt ist, wie
noch das Nibelungenlied mit Gleichnissen äußerst spärlich bedacht
ist, das höfische mittelalterliche Epos aber verwendet schon kunst-
mäßige Bilder. Also natürlich kann der Dichter auch durch Schlicht-
heit der Darstellung wirken und die Gleichnisse ganz oder fast ganz
entbehren; aber ist das ein Grund, sie überhaupt zu verwerfen? Will
man nur die einfache, monumentale Größe? So wenig man das in
der Malerei ausschließlich fordert, sondern auch Bilder gelten läßt, die
durch Ausführung von Details, durch scheinbare Nebensächlichkeiten
doch eine großartige Gesamtwirkung erzielen, so wird man auch in
der Dichtkunst den Schmuck der Gleichnisse nicht überall entbehren
wollen.

Neben dem Gleichnis und dem Vergleich steht die Metapher, die
eine gleichartige Entwicklung hat. Metapher und Gleichnis berühren
sich vielfach. Aus der Metapher kann sich ein Gleichnis entwickeln,
und umgekehrt kann ein Gleichnis zur Metapher zusammengepreßt
werden. Es gelingt nicht, eins aus dem andern abzuleiten. Manche
primitiven Gleichnisse (besonders die mit praktischem Zweck: Maß-
bezeichnungen, Vergleiche usw.) müssen durchaus selbständig ent-
standen sein ohne Einfluß einer Metapher. Die Metapher spielt für
sich eine wichtige Rolle bei der ursprünglichen Ausdrucksweise, bei
dem Ursprung der Sprache. Herder sagt von ihr: »Die genetische
Ursache liegt in der Armut der menschlichen Seele und im Zusammen-
fluß der Empfindungen eines rohen Menschen«J). So ist die meta-
phorische Anschauungsweise ein notwendiges Stadium der Entwick-
lung. Die kunstmäßige poetische Metapher verdankt ihre Entstehung
natürlich dem gesteigerten psychischen Erleben des Dichters und wird
für ihn ein Mittel der Gestaltung. Sie ist demnach ganz eine Schöpfung
des persönlichen Geistes und wird subjektive Prägung tragen2). Sicher
ist sie in einer subjektiven Einheitssetzung begründet. Während bei
den Gleichnissen die Einheit in der Beziehung ruht und sich also in
einem Parallelismus, einem gewissen Dualismus offenbart, gibt die
Metapher ein vollständiges Ineinander der beiden Glieder, schafft sie
eine subjektive Einheit. Die allgemeine sprachliche Metapher hat das
Schicksal, mit der Entwicklung der Sprache immer unpersönlicher,

>) Sämtl. Werke (Suphan) Bd. 5, S. 71.

2) Vgl. Emil Stern, Metapher und Subjektivität (Euphorion V [1898], S. 217 ff.).
 
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