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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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Mies, Paul: Über die Tonmalerei, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0424
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420

PAUL MIES.

Eine sehr alte Nachahmung des Kuckucksrufes findet sich in einem
Lied des Minnesängers und Ritters Oswald von Wolkenstein (1377
bis 1445). In einem für zwei Stimmen, oder für eine Stimme mit
Instrumentalbegleitung, gedachten Lied »Der Mai« J) wird unter anderen
Vögeln und Tieren auch der Kuckuck zitiert. Der Anfang des Textes
lautet: »Der Mai mit lieber Zal, die erd bedecket überal, pühel, eben,
perg und tal. Auss suesser Veglin schal erklingen, singen hohen hal,
galander, lerchen, droschel, nachtigal. Der gauch fleucht hinden nach
zu grossem Ungemach, kleinen vogelein gogeleich. Höret, wie er
sprach: cucu, cucu, den zins gib mir ...« usf. Bei den Worten »cucu«
tritt nun der Kuckucksruf in der Melodie auf und zwar merkwür-
digerweise kurz hintereinander als kleine und große Terz (c—a und
h-g).
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Kleinen vo - ge - Iin go - ge-leich. Hö - ret, wie er sprach^





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Aus den ersten Zeiten der mehrstimmigen Musik, der Zeit des Dis-
kantierens, hatte sich eine Manier noch bis in die Periode der ersten
Niederländer gehalten, die Manier des sogenannten Ochetus2), d.h.
Schluchzers, welche darin bestand, daß der Sänger einzelne durch
Pausen unterbrochene, kurz abgestoßene Töne hören ließ, welche an
die abgebrochenen Laute des Schluchzens erinnerten und daher ihren
Namen hatten. H. de Zeelandia, einer der allerältesten Niederländer,
benutzte diese Manier zu dem Scherz, den Kuckucksruf dadurch nach-
zuahmen3). Und sehr viel später tritt dieselbe Manier wieder auf bei
Jeannequin (um 1550), dem erfolgreichsten Komponisten der franzö-
sischen Programmchansons. In dem »Charit des oiseaux« erfährt unter
anderen auch der Kuckuck eine spezielle Charakteristik; aber nicht
nur kleine und große Terz, sondern sogar die Quarte wird heran-

') D. d. T. i. Ö. IX \ S. 31 u. S. 179 (Schatz u. Koller).

2) A. II, S. 360.

3) A. II, S. 360.
 
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