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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 7.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.3592#0674
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670 BESPRECHUNGEN.

teilung, nicht historische Einflüsse bei den stilistischen Bestimmtheiten, sondern
z. B. Stilfragen als solche, nicht die Entstehung, sondern die Wirkung; in der
dann freilich manches sozusagen zeitlos zu Erfassende von der Entstehung, wie
die Arbeit an dem und jenem Werkstoff enthalten sein wird. So kann man auch
bei dem Monumentalen, wenn man den sachlichen Begriff dafür hat — denn der
monumentale Stil ist ein Sachstil und kein historischer — allerlei Beziehungen finden,
die dem Historiker nicht die Hauptsache oder doch nicht das einzige sind, um
derentwillen aber der Ästhetiker eine solche historische Arbeit wie die hier vor-
liegende vielleicht überhaupt nur liest.

Und da entsteht im Anblick des vorliegenden Buches zunächst die Frage, wie
weit man denn berechtigt ist, bei der Buchmalerei und bei Wandteppichen sowie
bei der angewandten Plastik der Kleinkunst für allerlei kirchliche Zwecke von
»monumental« zu sprechen oder nach Monumentalem zu fragen1), wenn man nicht
ausdrücklich sagt, daß dies hier ein abgeleiteter, übertragener Begriff ist, der nur
auf Grund gewisser Formenübereinstimmungen mit den wirklichen Monumental-
werken in einem weiteren Sinne angewendet werden darf. In dem Buche wird
indessen der Begriff des Monumentalen überhaupt nicht erörtert. Wenn der Ver-
fasser von einem Reliquiar und, mit einem Seitenblick, auch von der karolingischen
Elfenbeinplastik und Goldschmiedekunst sagt: »Von einer plastischen und wirklich
monumentalen Raumkunst kann man vor diesen Arbeiten nicht sprechen«, so er-
scheint mir das letztere selbstverständlich. Wie soll denn ein kunstgewerblicher
Gegenstand oder gar einzelne verzierende Figuren an ihm monumental sein? Monu-
ment heißt Denkmal, schließt somit eine besondere Aufgabe, die der Erinnerung,
ein, also einen anderen Zweck als der Gebrauchszweck solcher Geräte ist, und
schließt diesen aus. Und die Geräte sind zumeist notwendig von relativ geringem
Umfang, geschweige daß die dem Monument eigentümliche hervorragende Raum-
größe hier in Frage käme. Der Begriff des Monumentalen, für den ein Potenzieren,
ein Steigern, womöglich nach jeder Richtung bezeichnend ist, ist ein Idealbegriff,
dem man sich innerhalb des Monumentalen wieder in verschiedenen Graden an-
nähern kann, und deckt sich seinem Umfang nach noch nicht einmal mit allen,
auch zierlicheren, Denkmälern, die es gibt; nicht alle Monumente sind ihrer quali-
tativen und quantitativen Form nach monumental (aber das brauchen wir hier nicht
mehr). Gegen jenen laxeren Begriff von monumental also muß man jedenfalls
protestieren, wenn nicht gesagt wird, daß nur die Formbehandlung gemeint und
von allem anderen abgesehen sein soll.

Was man populär vielleicht »Altertümer« nennt, das sind im strengen Sinne
noch keine Monumente. Das Alter allein tut es nicht, und anderseits der Zweck
der Erinnerung tut es allein auch nicht, denn auch Andenken und Monument ist
nicht dasselbe. Denkmal im Sinne der bildenden Kunst bedeutet auch etwas
anderes, als Denkmal im Sprachgebrauch der Philologie und Geschichte, wo ge-
legentlich Monument mit Dokument gleichgesetzt und an eine Denkmalsabsicht
oft gar nicht gedacht wird. Die Monumenta Germaniae z. B. sind einfach erhaltene
Reste, Überbleibsel, literarische Reliquien, also Quellen jeder Art (eine Haupt-
abteilung heißt z. B. Epistolae), aber sie haben keineswegs alle den monumentalen
Stil. Die Urkunden im engeren Sinne sind vielleicht ihrer Bestimmung nach den

*) Freilich verneint der Verfasser das Vorhandensein des Monumentalen an
jenen Dingen dann selber und will wohl dort für die monumentalen Werke nur
vorbereitende Formenähnlichkeiten suchen, er nennt auch ein Kapitel »Anfänge der
Plastik« und erst ein späteres »Anfänge der monumentalen Plastik«.
 
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