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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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Ritoók, Emma von: Das Häßliche in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0010

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DAS HÄSSLICHE IN DER KUNST.

das Naturhäßliche mit dem Kunsthäßlichen vermengt wurde, sondern
daß auch das Privative der Schönheit, das Unvollkommene, als ästhe-
tisch Häßliches betrachtet wurde; selbst das Mißfallen des subjektiven
Verhaltens wurde in dieser Kategorie objektiviert und im allgemeinen
das als Kunstausdruck verwendete Häßliche für einen Unwert des
Werkes gehalten. Es ist keine neue Abgrenzung, daß Unästhetisch
Ur>d Häßlich nicht zusammenfallen, daß Unkunst als Kunst aufzufassen
unmöglich ist; doch muß sie hier von neuem betont werden, um für
das ästhetisch Häßliche das Gebiet des als Kunstausdruck verwendeten
Häßlichen zu bewahren, welches viel breiter und tiefer reicht, als es
|n jenen Theorien erscheint, die dem Häßlichen nur eine relative Rolle
ln der Kunst zugestehen1). Diese Erkenntnis führte zu der Aufstel-
lung der logisch-dialektischen Kontrastbegriffe bei den Hegelianern,
Wo aber das Problem eher aus dem Geiste eines philosophischen
Gedankenganges entspringt als daß es von der Kunsterkenntnis ge-
fordert wird; auch wurde es eigentlich nicht im Hegeischen Sinne
durchgeführt, denn statt die gegensätzlichen Begriffe: Schön und
Häßlich in einer Synthese aufzuheben, fand sich die Lösung des
roblems immer in der Überwindung des Häßlichen, in einer Auf-
hebung und Erlösung durch die Schönheit, aber nicht durch und in
die Kunst hinein; das Häßliche selbst erfuhr durch diese Errettung
eine Umwandlung zum Schönen und nicht die Berechtigung des
Künstlerischen.

Es zeigte sich aber, daß die begriffliche Gegenüberstellung der
Kontraste auch dafür keine Erklärung gibt, was jene Aufhebung des
Häßlichen als Kunsterscheinung ist; denn die Kunst selbst als Wirk-
. hkeit spielt kaum eine Rolle in den Theorien, welche sich gewöhn-
cn Wit einigen typischen Beispielen begnügen; die Stilprobleme, die
so wichtig für diese Kontrastaufhebung — Theorie sein könnten, kom-
men höchstens in dialektischer Zwangseinkleidung vor, und es wirkt
|ast wie Zufall, wenn die Theorie mit der Kunst in Einklang ist. Die
Lösungen, die für abstrakte Fragen alle Feinheiten der Logik und Dia-
■ektik verwendeten, die aber die Kunst mit Schönheit und das Schöne
mJt Verwirklichung der Idee identifiziert hatten, entsprechen nicht der
pichen Bedeutsamkeit der Kunst sobald das Erscheinen der Idee in
Velasquez Porträts und Dürers Holzschnitten, in Caravaggio und C&
zanne dasselbe Schöne sein soll, wie in Lysippos und Bernini, in
Homer, Dante und Dostojewski, in Shakespeare und Ibsen. Die Ästhetik

') Da der vorliegende Teil nur die Einleitung zu einer größeren Arbeit ist,
werden nähere Bestimmungen der einzelnen Begriffe so lange vermieden, bis die
Kichtigkeit meiner Auffassung durch die Analyse von Kunstwerken bestätigt wer-
den kann.
 
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