^jNIORDISCHE FORMGEFÜHL IN SEINEM VERHÄLTNIS ZUR ANTIKE. 35
lühen« — das der deutschen Mystik geläufige Wort für den Drang
r gottminnenden Seele! Auch in der Kunst ist es ein Minnedrang,
ein Gesuchen, ein Hinauswollen aus der Haft der Materie.
Es ist kein willkürliches Aus-dem-Rahmen-Fallen, sondern bewußtes
ollen, gebannt in den mächtigen Rhythmus der rollenden, spielenden,
legenden oder wirbelnden Linie. Melodisch immer verfolgbar von der
Plastischen Eindringlichkeit der Menschengestalt bis in die reizvollen
^P'ele der Ornamentik hinein.
Die greise Antike suchte hier umsonst in verglimmender Lebens-
raft nach Recht und Raum. Sie wurde verdrängt. Sie mühte sich,
em »barbarischen« Norden ihr Wesen aufzuzwingen, und es mißlang.
s mißlang schon unter Karl dem Großen. Es mißlang im Mittelalter.
s mißlang selbst im Antiketaumel des 16. Jahrhunderts. Dürer, dem
*s Geheimnis der »Alten« keine Ruhe ließ, der das »Antikische«
neoretisch errechnen zu können glaubte, verfiel in seinen Arbeiten
0cn immer wieder in die alte Weise. Seine Stärke liegt in den mit
e'denschaftlichem Schwung sich entrollenden Zyklusdramen: der Apo-
alypse, den Passionen, dem Marienleben. Er suchte das Geheimnis
er Antike; aber er löste das Geheimnis der nordischen Kunst, die
""endliche Melodie der gotischen Linie. Und als die große Zeit der
putschen Kunst versank, als der Italianismus mit seinen verwässerten
^"t'kebegriffen über Deutschland hereinbrach, da rettete sich alle Kraft
'" den Barock. Während die Malerei hinsiechte, erwachte neu er-
s arkend die Skulptur zu einem reizenden zierlichen Leben. Nymphen
Und Amoretten, Madonnen, Engel und asketische Heilige führten das
* te Leben weiter, das Leben der gotischen Linie, den geschwungenen
'1. der ganz Welle, Fluß, atmende Bewegung ist.
Es ist der Betrachtung wert, die Erscheinungen des Hereinspielens
er Antike und antiker Richtungen späterer Zeit in die nordische Kunst
! Verfolgen; aber die größere Erscheinung ist die wahrhafte Kraft,
der sich der Norden dawider behauptete.
lühen« — das der deutschen Mystik geläufige Wort für den Drang
r gottminnenden Seele! Auch in der Kunst ist es ein Minnedrang,
ein Gesuchen, ein Hinauswollen aus der Haft der Materie.
Es ist kein willkürliches Aus-dem-Rahmen-Fallen, sondern bewußtes
ollen, gebannt in den mächtigen Rhythmus der rollenden, spielenden,
legenden oder wirbelnden Linie. Melodisch immer verfolgbar von der
Plastischen Eindringlichkeit der Menschengestalt bis in die reizvollen
^P'ele der Ornamentik hinein.
Die greise Antike suchte hier umsonst in verglimmender Lebens-
raft nach Recht und Raum. Sie wurde verdrängt. Sie mühte sich,
em »barbarischen« Norden ihr Wesen aufzuzwingen, und es mißlang.
s mißlang schon unter Karl dem Großen. Es mißlang im Mittelalter.
s mißlang selbst im Antiketaumel des 16. Jahrhunderts. Dürer, dem
*s Geheimnis der »Alten« keine Ruhe ließ, der das »Antikische«
neoretisch errechnen zu können glaubte, verfiel in seinen Arbeiten
0cn immer wieder in die alte Weise. Seine Stärke liegt in den mit
e'denschaftlichem Schwung sich entrollenden Zyklusdramen: der Apo-
alypse, den Passionen, dem Marienleben. Er suchte das Geheimnis
er Antike; aber er löste das Geheimnis der nordischen Kunst, die
""endliche Melodie der gotischen Linie. Und als die große Zeit der
putschen Kunst versank, als der Italianismus mit seinen verwässerten
^"t'kebegriffen über Deutschland hereinbrach, da rettete sich alle Kraft
'" den Barock. Während die Malerei hinsiechte, erwachte neu er-
s arkend die Skulptur zu einem reizenden zierlichen Leben. Nymphen
Und Amoretten, Madonnen, Engel und asketische Heilige führten das
* te Leben weiter, das Leben der gotischen Linie, den geschwungenen
'1. der ganz Welle, Fluß, atmende Bewegung ist.
Es ist der Betrachtung wert, die Erscheinungen des Hereinspielens
er Antike und antiker Richtungen späterer Zeit in die nordische Kunst
! Verfolgen; aber die größere Erscheinung ist die wahrhafte Kraft,
der sich der Norden dawider behauptete.