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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0086

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BESPRECHUNGEN. 81

berücksichtigen »die eigenartige Weltanschauung, die der tiefe Humor aus sich
heraus entwickelte.

Wenden wir uns zu der zuerst aufgeworfenen Frage über den ästhetischen
Wert der Komik! Als wesentlich für das Erlebnis des Komischen, wie auch des
Erhabenen, wird das Überraschungsmoment angeführt, und dieses Moment läßt sich
überall beim Komischen feststellen. Es ist sogar das einzige objektive Merkmal
des Komischen. Der Eindruck des Komischen beruht auf dem »Kontrast einer
drohenden Apperzeptionsschwierigkeit und der tatsächlichen leichten Assimilation,
die sogleich erfolgt«.

Die Kunst der Komik entdeckt eine besondere Formwelt; als Beispiele für
Künstler solcher Art werden Calot und Busch angeführt. Die Freude der Kunst
der Komik ist, daß wir eine »Gemütsstärke und Geistesfreiheit gegenüber dem Ge-
meinen, Häßlichen, Lästigen« bekommen.

Nun wird weiter darauf eingegangen, worin die Illusion des Humors besteht.
Zur Erläuterung werden humoristische Helden von Jean Paul, Wilhelm Raabe,
E. T. A. Hoffmann und anderen angeführt, welche »große Lebenskünstler« sind.
Das Lachen über diese Helden ist voll Sympathie und Herzlichkeit, weil wir Zu-
neigung zu diesen Gestalten fühlen.

Roetschi macht eine Gegenüberstellung des Satirischen und des Humoristi-
schen; es ergibt sich, daß in der Satire unser Siegesgefühl sich gegen den Be-
lachten wendet, in dem Humor »strahlt er aus demselben wieder«. Der Humorist
holt das Konkrete, Individuelle und Nebensächliche aus der menschlichen Per-
sönlichkeit hervor.

Unter den Witzen werden die beabsichtigten und unbeabsichtigten unterschie-
den. Im Witz ist das Wie und Was überraschend. Zur Erzeugung eines Witzes
gehört keine Gemütserregung, die bei jeder Gedankenerzeugung vorhanden ist.
Den Genuß des Komischen bezeichnet Roetschi als ein Oberflächenerlebnis der
Seele. Im Humor wird das Lachen zu etwas Höherem. Der Humor ist wenig
bekannt und wird leicht mit »Laune und Lustigkeit« verwechselt.

Wenden wir uns zu der zu zweit aufgeworfenen Frage über den Humor, der
einen »besonderen Typus der Lebensstimmung und Gemütsverfassung« darstellen
soll. Von Humor wird gesprochen, wenn man den Schwierigkeiten des Lebens
gegenüber eine »lächelnde Überlegenheit« hat. Da der Humor beruhen soll auf
einer Selbstbeobachtung und Selbstreflexion, wird dem Weibe die Begabung für
Humor abgesprochen. Vom Stoizismus unterscheidet sich der Humor dadurch, daß
er keine Verhärtung des Gefühls, kein Erdrücken desselben ist, sondern eine Selbst-
beherrschung von höherer Art als der Stoizismus. Der Humor ist eine »problemati-
sche, schwerblütige Gemütlichkeit«; es soll auch kein Zufall sein, daß das Ger-
manentum und nicht das Romanentum die größeren Humoristen erzeugt hat; den
Romanen liegt mehr die Satire (z. B. Moliere). Zum Humor ist notwendig die
wärme im Herzen und die Kälte im Kopfe, was den Romanen im allgemeinen
nicht eigen ist. Vom biologischen Standpunkt aus ist der Humor ein Anpassungs-
0rgan im Kampfe ums Dasein. Es wird hier ein Unterschied zwischen dem er-
zwungenen Lachen und dem »Hinweglachen« gemacht.

Es erhebt sich ferner noch die Frage nach dem Humor als Weltanschauung;
da die humoristische Kunst nur in einer höheren Periode möglich ist, kam sie in
der Neuzeit zur Blüte, in der subjektivistischen Periode, um mit Karl Lamprecht zu
sprechen. In der Renaissance und in der Reformation hatte die Satire mehr Platz.
Die klassizistische Richtung verhielt sich zum Humor abweisend, während die
Romantik dem Humor zugeneigt war; die Romantik hatte eigentlich unter der

Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft. XI. 6
 
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