Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

DOI Artikel:
Besprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0208

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
BESPRECHUNGEN. 203

tätseindruck ist in diesem Band weit stärker. Schmerzlich bedauert habe ich nur
das völlige Fehlen Bruno Pauls in dieser Auswahl. Ich hätte dafür gern einige
Arbeiten von dem allzusehr bevorzugten Breuhaus geopfert. Weniger einverstanden
bin ich mit der Textgestaltung. Im Werkbundband hat sich Jessen auf 42 Seiten
abgemüht, der Ausstellung gerecht zu werden. Ich verstehe hier das Wort »ab-
mühen« im buchstäblichen Sinn: denn fast auf jeder Seite versichert uns Jessen,
wie sehr er sich durch den karg zugemessenen Raum bedrückt fühlt. So ist es
durchaus nicht seine Schuld, wenn der Text etwas mager geraten ist und sich
stellenweise den bekannten, mit schmückenden Ausdrücken umkleideten Aufzählungen
nähert. Er tat, was er tun konnte, um die Fülle des Stoffes zu bändigen. Und
die in Lob und Tadel so besonnene Kritik, die er stellenweise übt, läßt es um so
schmerzlicher empfinden, daß er in dieser Weise geknebelt war. Zwei oder drei
Bogen mehr Verfügungsrecht, und wir wären um eine gediegene Abhandlung
reicher, die gewiß auch den Interessen des Werkbundes gedient hätte. Koch wählte
eine andere Anordnung: nicht einen Aufsatz von einem Verfasser, sondern eine
Reihe kleiner Essays von verschiedenen Verfassern. Der Text wirkt hier schon
rein äußerlich als Füllsel, das recht lieblos behandelt wird. Denn was hat etwa
eine knappe Skizze von Max Raphael über den Tastsinn in der Kunst unmittelbar
mit der Ausstellung zu tun? Sie ist hier völlig fehl am Platz, ein armer Lücken-
büßer. Es wäre ganz gut gegangen, verschiedene Autoren sprechen zu lassen:
aber dann hätten die abgebildeten Gegenstände eine eingehende technische und
formale Würdigung von Fachleuten finden müssen. Auch hier haben die einzelnen
Schriftsteller keine Schuld: sondern das System. Es ist ja bekannt, daß in den
Darmstädter Kunstzeitschriften der Text nicht die glänzende Höhe erreicht, auf der
die Abbildungen stehen, weil eben nicht Darlegungen geboten werden, sondern
kurze Glossen. Ich habe nichts gegen reine Bilderbücher; kommt aber überhaupt
Text in Frage, dann gehört es zur Werkkultur, ihm die gleiche Sorgfalt zu widmen,
wie den Illustrationen. Weil es sich hier um eine prinzipielle Angelegenheit han-
delt, brachte ich sie zur Sprache.

Wenn man das reiche Abbildungsmaterial der beiden Bände durchmustert,
dann muß man sich erstaunt fragen: wie konnte eine Ausstellung, die so viel Gutes
bot, eine derartig schlechte Aufnahme in der Presse finden? Die Bücher zeigen
eben nur das Gute; und auf der Ausstellung überwog in ermüdender Breite das
Mittelmäßige. Sie war zu groß, zu unübersichtlich, darüber klagen alle, und gewiß
mit Recht. Da liegt ein Fehler der Ausstellungstechnik. Lieber mehr Ausstellungen
kleineren Formats und diese an verschiedene Orte verteilen, das müßte vielleicht in
Erwägung gezogen werden: denn auf diese Weise vermeidet man die überlangen
Programme und gewinnt "doch die erwünschte Breite. Für die Einbürgerung der
neuen Bewegung in weitesten Kreisen ist es geradezu eine unerläßliche Bedingung,
daß nicht nur die großen Hauptstädte Träger der Ausstellungen bleiben, sondern
daß diese auch in die kleineren Plätze und Kurorte eindringen. Mag auch der un-
mittelbare materielle Erfolg dabei vielleicht gering sein — es müssen zunächst Opfer
gebracht werden, die mittelbar sicher reichlich ausgeglichen werden. Und gerade
da könnte die große Organisation des Werkbundes sehr viel Segen stiften.

Ein zweiter Vorwurf, der gegen die Ausstellung erhoben wurde, scheint mir
'n sich weniger berechtigt: man warf ihr vor, sie hätte zu wenig Originelles,
Schlagendes geboten. Nun wirkt allerdings einfache Gediegenheit — massenhaft
aufgestapelt — langweilig, aber damit stoßen wir wieder auf den ersten Einwand.
Die Erwartung, auf der Ausstellung unerhörten Sensationen zu begegnen, war
durchaus unbegründet: das letzte Jahrzehnt hat uns genügend reif gemacht, so daß
 
Annotationen