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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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BESPRECHUNGEN. 205

schwärmerischer Ergebenheit malt Greco den Mönch mit sehnend-verzücktem Auf-
blicken, malt er das Auge, in dessen großer Pupille nervöses Feuer flimmert, einen
Glutball, der sich im eigenen Feuer verzehrt«.

Während Porträts und Mönche »auf Grau und Schwarz abgestimmt« sind, ent-
wickelt Greco bei seinen anderen Schöpfungen einen schillernden Reichtum an
Farben und Helligkeitsgraden. »Die Farbe als zuckender Fleck bringt die Kompo-
sition zum Vibrieren, die Gesamterscheinung hat ein Farbengeflimmer, das unwill-
kürlich an das ,Wortgeflimmer bei Lope de Vega' denken läßt.«

Die Hauptfarben Grecos sind Rot, Gelb, Blau und Grün. Dem Grau fällt die
Aufgabe zu, »synthetisch zu wirken«. Farbe und Licht stehen bei Greco nicht im
Dienste der Wirklichkeit, sie sind vielmehr subjektiv expressionistische Faktoren.
Das Licht löst in den Spätwerken die feste Gestalt auf. Beseelung der Form, Ent-
materialisierung ist das Ziel Grecoscher Kunst. Schließlich wird »alles Gegenständ-
liche« aufgelöst und zu einer grandiosen Offenbarung von Grecos Stimmung. In
der großartigen Landschaft »Toledo im Gewitter« erblickt Kehrer einen Wende-
punkt in der Geschichte der Malerei. »Grecos Weg zum Dekorativ-Malerischen
endet mit dem Symbolisch-Expressionistischen.«

Für den Aufbau einer Einzeldarstellung hat Kehrer mit seinem Grecobuch, das
neben gediegener Wissenschaftlichkeit künstlerischen Wert besitzt, ein mustergültiges
Beispiel gegeben. Erst wird der Hintergrund gezeichnet, von dem sich die Gestalt
Grecos abhebt. Dann werden zunächst die für den Historiker wichtigen Fragen mit
Hilfe gesicherten Tatsachenmaterials beantwortet. Der Verfasser gewinnt feste Punkte
für die Datierung der Werke, die dann später mit Hilfe der Stilvergleichung vervoll-
ständigt wird. Nach der historischen Betrachtung wird eine Darstellung der wesent-
lichsten ästhetischen und künstlerischen Probleme geboten. Der Verfasser zeigt, wie
das eigentlich Ästhetische, der mystische Seelengehalt bei Greco, mit durchaus künst-
lerischen Mitteln zum Ausdruck gebracht wird. Nachdem die Seele Grecoscher Kunst
in einem Abschnitt: »Grecos Mystik« behandelt wurde, wird der Kunstleib näher
betrachtet: Licht, Farbe, Form, Technik. An den Schluß wird dann die Besprechung
der letzten Werke gerückt, der Zeugen »übermäßiger Innerlichkeit, die man als
Pathologisch gedeutet hat«. —

Bei kunstwissenschaftlichen Untersuchungen ist es nicht leicht, eine dem eigen-
artigen Gegenstand entsprechende Darstellungsform zu finden. Reine Wissenschaft-
lichkeit, die in trockenen Sätzen ihre Aussagen macht, ist hier nicht immer am
Platze. Kommt es doch vor allem darauf an, dem Leser oder dem Hörer ein
möglichst anschauliches Bild des Gesehenen zu vermitteln. Das ist aber nur mit
künstlerischen Mitfein möglich. Es liegt eine doppelte Schwierigkeit vor, weil die
'"eisten Wissenschaftler, »von des Gedankens Blässe angekränkelt«, überhaupt zur
künstlerischen Darstellung unfähig sind und weil das ästhetische Erlebnis, das
vor allem durch optische Eindrücke in uns geweckt wurde, jetzt mit dem ganz
anderen Mittel des gesprochenen oder gar des geschriebenen Wortes wachgerufen
Werden soll. Kehrer hat hier den geeigneten Weg eingeschlagen. Er findet er-
greifende, dichterische Worte für das tragische Ringen Grecos, der die mystischen
Erlebnisse seiner ekstatisch erregten Seele als Künstler offenbarte. Rein wissen-
schaftliche Anmerkungen dagegen, die den Text begründen, aber zugleich von ihm
abführen, werden in einem besonderen Anhang gesammelt.

Besonderer Dank gebührt dem Verlag, der das Werk in ein geschmackvolles
Oewand gekleidet und ihm die stattliche Zahl von 54 Tafeln beigegeben hat.

Berlin.

Alfred Werner.
 
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