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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 11.1916

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Görland, Albert: Die Idee des Zufalls in der Geschichte der Komödie
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https://doi.org/10.11588/diglit.3817#0278

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DIE IDEE DES ZUFALLS IN DER GESCHICHTE DER KOMÖDIE. 273

Gibt es die Einheit der dramatischen Kunst, so ist bei aller
schließlichen Verschiedenheit der gestaltenden Grundideen doch die
Ursprüngliche Einheit beider gefordert. Damit war für uns die wissen-
schaftliche Verpflichtung gegeben, nun auch das künstlerische Prinzip
der Komödie dort aufzuspüren, wo wir glaubten, desjenigen der Tra-
gödie habhaft geworden zu sein.

Da kann die Frage entstehen, warum wir unsere Bemühung um
Kunstbegriff des Dramas bei der Tragödie und nicht bei der Komödie
ar>gesetzt haben. Es klingt wie bloß äußerlich, wenn wir zur Antwort
auf die Tatsache hinweisen, daß die Literatur uns weitaus mehr
Tragödien als Komödien von klassischem Werte darbietet. Doch sind
solche in der Geschichte zutage tretenden Tatsachen niemals zufälliger
Art. Es müssen bedeutsame Gründe vorliegen.

»Drama« heißt »Handlung«. Alle dramatische Handlung kommt
nur in einer Gegensätzlichkeit von Personen und ihren Handlungen
zu stände. Diese Gegensätzlichkeit der Handlungen bedeutet ein
Ringen der Willen mit einander. Das ist der Inhalt jeglichen Dramas.
So führten wir in der früheren Arbeit über die Tragödie aus.

Also liegt jedem Drama ein tragischer Charakter im Blute. Kein
Menschliches Wesen ist zur Glückseligkeit geboren. Nicht im Ge-
nießen erfüllt sich des Menschen Aufgabe, sondern einzig im Wollen
Und Wirken des Besseren, stets über das Gute hinaus, das schon
errungen ist.

Mühe und Arbeit ist unser Leben, sagt der Psalmist, selbst wenn
es köstlich gewesen ist. Aus dieser Einsicht entspringt sowohl die
Tragödie wie auch die Komödie. Aber während in der Tragödie
dieser tragische Grundzug sich steigert und immer bewußter zur
e,nheitlich beherrschenden Idee wird, treten in der Komödie andere
'deen hinzu, die diesen tragischen Charakter sänftigen und wie mit
Sonnenschein seine düsteren Farben — für ein kurzes Spiel wenig-
stens — erhellen.

Darnach ist die Tragödie, ihrer ideellen Grundstimmung nach, ein
e,nfacheres Kunstgebilde als die Komödie. Hierin möchte der ent-
scheidende Grund liegen, daß die Literaturgeschichte weitaus mehr
Tragödien als Komödien von klassischem Werte aufweist. Dadurch
^urde aber auch uns nahe gelegt, unsere ästhetischen Erörterungen
In Hinsicht auf das Drama nicht mit der Komödie, sondern mit der
rragödie zu beginnen.

Die Ergebnisse dieser Erörterungen bezüglich der Tragödie müssen
uis für die bevorstehenden Überlegungen gegenwärtig sein.

Was man in einem Drama die »Einheit der Handlung« oder die
»"abel des Dramas nennt, ist die straffe Zusammenschau von handelnden

z«Uchr. f. Änthetik u. allg. Kunstwissenschaft. XI. 18
 
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